Die Symptome von Covid-19 und Influenza sind kaum zu unterscheiden. Das Isolieren und Rückverfolgen der Kontakte von Covid-19-Patienten wird im kommenden Herbst daher schwierig.
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Hohes Fieber, Müdigkeit, Kurzatmigkeit und Husten: Die Symptome der echten Grippe (Influenza) und einer Coronavirus-Infektion sind ähnlich. Oder anders ausgedrückt: Wenn man diese Symptome hat, weiß man nicht mit Sicherheit, ob man an Influenza oder Covid-19 erkrankt ist.
Das könnte kommenden Herbst, wenn die jährliche Influenzasaison wieder startet und vermutlich Covid-19-Fälle dazukommen, zum Problem werden. Denn wenn sich jeder im Sinne der Eindämmung des Coronavirus Sars-CoV-2 bei Grippesymptomen auf dieses testen lässt, könnte das die Testkapazität bald sprengen. Der Nachweis ist aber wichtig, um sich bei einem positiven Ergebnis zu isolieren und eine Rückverfolgung der Kontakte durchführen zu können. Bei einer gewissen Gleichgültigkeit den Symptomen gegenüber läuft man wiederum Gefahr, die befürchtete und oft zitierte zweite Welle voranzutreiben.
Trockener Husten typisch
Für Covid-19 sei zwar eher ein trockener Husten typisch, das Fieber steige langsam an, und die Symptome verstärkten sich graduell im Gegensatz zum abrupten Influenzabeginn, sagt die Immunologin Ursula Wiedermann-Schmidt von der MedUni Wien. Auch Kopf- und Gliederschmerzen treten bei Covid-19 eher selten auf, dafür kann es zu Atemproblemen bis hin zu einer Lungenentzündung kommen. "Durch die Fülle von respiratorischen Komplikationen im Herbst wird eine Unterscheidung aber schwierig", sagt sie zur "Wiener Zeitung".
Und auch das Gesundheitsministerium räumt ein: "Bei der Influenza sind genauso wie bei Covid-19-Erkrankungen milde oder asymptomatische Krankheitsverläufe möglich, eine Unterscheidung dieser Krankheitsentitäten rein auf der Basis der klinischen Symptomatik ist daher kaum möglich", heißt es.
Zur genauen Diagnostik von Influenza-, Sars-CoV-2-Infektionen und diversen Erregern grippaler Infekte seien allein die labordiagnostischen Möglichkeiten und Schnelltests zielführend. Sollen sich nun alle, die Symptome dieser Art haben, einem Test unterziehen?
Das ginge in die Hunderttausende: Denn fünf bis 15 Prozent der Bevölkerung erkranken jährlich an Influenza - in Zahlen sind das bis zu 1,3 Millionen Menschen. In der vergangenen Saison sind laut der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit etwa 834 Menschen gestorben. Mit Sars-Cov-2 haben sich bisher nachweislich etwa 17.000 Menschen infiziert, und es gab rund 700 Todesfälle. Die strengen Lockdown-Maßnahmen wie Ausgangsbeschränkungen und Maskenpflicht haben offenbar gewirkt, denn Covid-19 gilt als die weltweit tödlichere Krankheit: Während die Mortalitätsrate bei der saisonalen Influenza 0,1 Prozent beträgt, geht man bei Covid-19 von etwa 0,75 Prozent aus. Die Schwankungsbreite sei jedoch hoch, besagt eine Literaturstudie australischer Wissenschafter.
Die derzeitige Laborkapazität ist laut Gesundheitsministerium auf mehr als 15.000 Tests pro Tag ausgelegt - abhängig von der Verfügbarkeit der Reagenzien am Weltmarkt. Für gewöhnlich bewegen sich die Zahlen zwischen 4000 und 6000 Tests pro Tag. Antikörpertests liefern erst rund zwei Wochen nach einer Infektion deren Nachweis und sind nicht für die Frühdiagnostik geeignet.
"Vorbereitungen laufen"
"Entsprechende Vorbereitungen für ein im Herbst mögliches Zusammentreffen des saisonalen Ansteigens grippaler Infekte sowie zunehmender Influenzaviren-Aktivität laufen derzeit auf Hochtouren. Einer umfassenden Covid-19-Teststrategie wird dabei weiterhin eine wichtige Rolle zukommen", heißt es dazu auf Nachfrage vom Ministerium.
Die personellen und materiellen Ressourcen für eine rasche und effiziente Abwicklung der Covid-19-Diagnostik sind laut Ministerium schon im Rahmen der ersten großen Infektionswelle aufgestockt worden. Sie würden weiterhin "erweitert, optimiert und dem jeweils aktuellen Bedarf angepasst".
Immunologin Wiedermann-Schmidt rät dazu, sich im Vorfeld gegen Influenza impfen zu lassen: Durch weniger Patienten könne man die Intensivstationen entlasten. Zeigt man dennoch schwere Symptome, sollte man unverzüglich zum Coronavirentest. Derzeit liegt die Durchimpfungsrate bei Influenza bei acht bis zehn Prozent.
Grünes Licht für Remdesivir
An einem Impfstoff gegen Covid-19 wird intensiv gearbeitet - eine Verfügbarkeit schon im Herbst ist unwahrscheinlich. Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA hat am Donnerstag erstmals grünes Licht für die offizielle Zulassung eines Medikaments gegen Covid-19 in der EU gegeben: Bestimmte Covid-19-Patienten sollen unter Auflagen mit Remdesivir behandelt werden dürfen. An Kliniken wurde das Medikament bereits verwendet.
Die EU-Kommission muss der Entscheidung der EMA noch zustimmen, was aber als Formsache gilt. Nach Schnellzulassungen in den USA und in Japan hatte bereits vor Wochen auch Südkorea das Arzneimittel zugelassen. EMA empfahl eine bedingte Zulassung des Arzneimittels des US-Pharmakonzerns Gilead zur Behandlung erwachsener Patienten und Jugendlicher ab zwölf Jahren mit Lungenentzündung, die zusätzlichen Sauerstoff benötigen.
Die Substanz ist ein Nukleotid-Analogon. Es ähnelt dem Erbgutbestandteil Adenosin. Sars-CoV-2 benötigt auch Adenosin für die Replikation seiner RNA-Erbsubstanz. Der falsche Baustein wird in die Erbsubstanzkette eingebaut und der Prozess abgebrochen. Das hemmt die Virusvermehrung.