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Rom - Italien gedachte am Freitag des 25. Jahrestags des Mordes am Parteichef der Democrazia Cristiana, Aldo Moro, durch die linksextremistische Terrorgruppe "Rote Brigaden". Sein Tod bleibt ein großes Rätsel der italienischen Nachkriegszeit. Bei einer Zeremonie in der Abgeordnetenkammer betonte Italiens Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi, dass der Tod des Politikers immer noch eine offene Wunde für die italienische Demokratie sei. Blumenkränze wurden vor der Tafel in der zentralen Via Caetani in Rom gelegt, in dem die Leiche Moros am 10. Mai 1978 in einem Auto gefunden wurde.
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Am 16. März 1978 folgte ein Kommando aus elf Personen dem Dienstfahrzeug des italienischen Politikers auf dem Weg zum Parlament in Rom und stoppte es in der Via Fani. Fünf Männer der Eskorte Moros wurden kaltblütig erschossen. Den Parteichef selbst zerrten die Verbrecher aus dem Auto, um ihn in ein "Volksgefängnis" zu bringen, zu "verhören" und zu "verurteilen".
55 Tage nach dem Überfall fand man den fünfmaligen Regierungschef nach einem anonymen Anruf in einem Kleinwagen in der römischen Innenstadt zwischen den Parteizentralen der Christdemokraten und der Kommunisten tot auf.
Für Einbindung der PCI
Moro war ein katholischer Politiker, der die Einbindung der Kommunistischen Partei (PCI) - damals die stärkste KP Europas - in die Regierungsverantwortung suchte. Das trug ihm viel Feindschaft im rechten Lager seiner eigenen Partei ein. Auch den USA war Moros Linie ein Dorn im Auge. Im Kalten Krieg sah Washington seine strategischen Interessen durch eine mögliche Regierungsbeteiligung der KP in dem NATO-Land gefährdet.
Moros Mord bildete den Höhepunkt der "bleiernen Jahre", wie die politische Terrorwelle in den 70-er und 80-er Jahren in Italien genannt wird. Die Hintergründe des Terrorakts wurden erst Jahre danach und nur zum Teil aufgeklärt. Vier Prozesse wurden gegen die 13 Mitglieder der Terrorgruppe geführt, die Moro in einer Wohnung in Rom gefangen hielten. Neun beteiligte Terroristen wurden bis 1981 verhaftet und zu langjährigen oder lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Sie sind zum Teil wieder in Freiheit.
Andreottis Rolle unklar
Auch die Rolle des damaligen Regierungschefs Giulio Andreotti im Fall Moro ist immer noch unklar. Andreotti wurde öfters beschuldigt, Verhandlungen abgelehnt zu haben, um seinen christdemokratischen Parteifreund zu retten.
Die Position Andreottis während dieser Jahre ist immer noch ein aktuelles Thema. Ein Schwurgericht in Perugia verurteilte Andreotti im vergangenen November zu 24 Jahren Haft wegen des Mordes an dem Journalisten Mino Pecorelli. Andreotti soll den Mord an Pecorelli beauftragt haben, weil dieser belastendes Material gegen ihn gesammelt hatte. Dabei ging es auch um den Mord an Moro, der als innenparteilicher Gegner Andreottis galt. Der damalige DC-Regierungschef Andreotti war einer der erbittertsten Gegner eines "historischen Kompromisses", den Moro stark förderte.
Nach Aldo Moro ermordeten Terroristen in Italien noch zirka 350 Menschen. Rekordjahr war 1980 mit 138 Toten.
Ende der 90-er Jahre bildeten sich neue linksextremistische Zellen, die die "bewaffnete Revolte" gegen den italienischen Staat fortsetzen wollen und sich gegen Reformen zur Flexibilisierung des Arbeitsmarkts stemmen. Von den "Neuen Roten Brigaden" wurden im Jahr 1999 und 2002 die Arbeitsrechtsexperten Marco Biagi und Massimo D'Antona erschossen.
Der Tod Moros beschäftigte Intellektuelle, Schriftsteller und Ermittler. Diese Woche kommt ein Film in die italienischen Kinos, der die Hintergründe des Mordes zu untersuchen versucht. Der Film "Piazza Cinque Lune" (Der Platz der fünf Monde) wurde von Regisseur Renzo Martinelli gedreht, der sich bereits mit anderen "Rätseln" der italienischen Nachkriegsgeschichte beschäftigt hat.