Kundenbindung besonders wertvoll. | Regionales als Erfolgsfaktor. | Wien. Noch bis vor wenigen Jahrzehnten gab es in Niederösterreich eine florierende Leder- und Schuhindustrie. Heute ist die Waldviertler Schuhwerkstatt von Heini Staudinger in Schrems die letzte ihrer Art. Um gegenüber den Billigimporten aus Asien bestehen zu können, braucht es daher sowohl Idealismus als auch ein Gespür für gutes Marketing.
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Beides scheint Staudinger zu besitzen. Seit 26 Jahren verkauft er in seinem Geschäft in der Wiener Josefstadt Schuhe. Später kommen dann Stühle, Futons und Matratzen sowie schließlich Betten und Möbel dazu, die ebenfalls im Schremser Werk hergestellt werden. Schon sehr früh erkennt Staudinger, dass sich die modernen Käufer nach Regionalem sehnen - "auf der Suche nach der eigenen Identität". Sein Slogan "Waldviertler wissen, was Waldviertler wert sind" reißt die 1991 ins Schleudern gekommene Schuhwerkstatt aus der Krise. Heute wird ein Viertel der Schuhproduktion in der Region verkauft. "Schrems hat 5000 Einwohner. Dort verkaufen wir mittlerweile jedes Jahr 10.000 Paar Waldviertler. Das ist für manche ein richtiger Wallfahrtsort für unsere Schuhe geworden", so Staudinger.
Da aber knackige Werbesprüche nicht reichen, um Kunden zufrieden zu stellen und ans Unternehmen zu binden, bekommt jeder Käufer zu seinen Schuhen und Möbelstücken zusätzlich ein kostenloses Sechser-Tragerl Schremser Bier oder Bioeier. Wem das noch nicht genügt, der kann in einem Workshop in Schrems sein Paar Schuhe auch selbst zusammenkleben. Dass dieses trotz eigenen Einsatzes schließlich teurer ist als ein gekauftes, stört allerdings offenbar niemanden; die Workshops sind auf Monate hinaus ausgebucht.
Brennstoff für die Seele
Zusätzlich verschickt das Unternehmen an Stammkunden regelmäßig seine Zeitschrift "brennstoff", eine Mischung aus Werbung und philosophischen Beiträgen mit einer Auflage von 60.000 Stück. "Wenn schon Werbung, dann soll der Leser auch Brennstoff für Herz und Seele bekommen", erklärt Staudinger den Titel. Außerdem könne bei einem überwiegend redaktionellen Magazin der günstige Zeitungstarif der Post in Anspruch genommen werden.
Finanziell erfinderisch ist Staudinger auch bei der Geldbeschaffung. Da Bankkredite für notwendige Investitionen zu teuer kämen, gründet das Unternehmen einen eigenen Sparverein für Mitarbeiter und Kunden, der mittlerweile 500.000 Euro verwaltet. Die jährliche vierprozentige Zinsausschüttung erfolgt in Warengutscheinen, womit die Zinsen wieder zurück ins Unternehmen fließen. Überschüsse verwendet Staudinger, um regionale Biobauern zu fördern, denn "Wirtschaft hat keinen anderen Sinn als das Leben".
Heute arbeiten 45 Mitarbeiter im Schremser Werk, dreimal soviel wie noch vor 15 Jahren. Zusammen mit dem Verkaufspersonal beschäftigt die Waldviertler Schuhwerkstatt 80 Personen und unterhält Geschäfte in Österreich, Deutschland, der Schweiz und Italien. Betriebsräte gibt es keine. "Das ist eingeschlafen, weil´s nicht notwendig war", so Staudinger, der nicht nur zu seinen Kunden guten Kontakt pflegt.