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Auch Parteien haben eine Seele

Von Walter Hämmerle

Politik

ÖVP-Missethon und SPÖ-Einem warnen vor Übermacht der Tagespolitik. | Sehnsucht nach mehr Grundsatztreue. | Wien. Von wegen PolitDinosaurier, emotionslose Machtapparate oder abgehobene Funktionärscliquen! Auch Parteien haben eine sensible Seele.


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Und wehe, wenn diese nicht entsprechend gehegt und gepflegt wird. Eine gute Parteiseele verzeiht fast alles - von Unfähigkeit, über Faulheit bis hin zu kleineren Charakterdefiziten -, nur die paar wenigen Grundsätze, über die eine politische Gesinnungsgemeinschaft am Anfang des 21. Jahrhunderts noch verfügt, sollten tunlichst nicht verraten werden.

So lautete jedenfalls der Tenor einer durchaus ungewöhnlichen Veranstaltung der Politischen Akademie zum Thema "Stichwortgeber für die Politik", bei der Generalsekretär Hannes Missethon und SPÖ-Querdenker Caspar Einem das eigene Tun kritisch reflektierten. Wenn schon nicht bei Erbschaftssteuer, Eurofightern, Klimaschutz, Bildungspolitik, Familienrecht und was es sonst an Streitpunkten in der großen Koalition noch gibt, zumindest in ihrer Sehnsucht nach Prinzipientreue und Grundsatzfestigkeit passt kein Löschblatt zwischen SPÖ und ÖVP.

Seltene Eintracht . . .

In seltener Eintracht verteufelten da die beiden Parteipolitiker den Fluch der großen Koalition, die der jeweiligen Prinzipienfestigkeit ganz und gar nicht bekommt. Zu groß ist hier der Druck für schmerzhafte Kompromisse, die so gar nicht mit der reinen Lehre von SPÖ und ÖVP harmonieren.

Bemerkenswert auch der Mut zur schonungslosen Selbstkritik auf beiden Seiten: Da hielt der schwarze Missethon nicht mit seiner Skepsis vor einer zu personenbezogenen Politik hinter den Berg, obwohl die Volkspartei noch vor wenigen Wochen damit liebäugelte, das eigene Schicksal ganz in Karl-Heinz Grassers Hände zu legen.

Und der rote Einem rief den Seinen am Beispiel der "de facto Abschaffung der Studiengebühren" in Erinnerung, dass es auf den Inhalt und nicht die rhetorische Verpackung ankommt: Gerade die politisch engagierte Jugend reagiere auf solche Tricks allergisch, warnte der SP-Abgeordnete.

Beachtliche Selbstkritik

Und um die ungewohnte rot-schwarze Harmonie perfekt zu machen, verzichtete Missethon für einmal auf sein viel geliebtes "sozialistisch" wo eigentlich "sozialdemokratisch" zu hören sein sollte. Angesprochen darauf, rechtfertigte sich der ÖVP-Generalsekretär mit einer kleinen Respektbekundung für sein Vis-à-vis: "Weil ich Dr. Einem wirklich für einen aufrechten Sozialisten halte." Und das war durchaus als Kompliment gemeint.