Grillo hält an Rodotà-Kandidatur fest, Monti für Innenministerin Cancellieri.
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Rom. Auch der vierte Wahlgang der italienischen Präsidentenwahlen am Freitagnachmittag, bei dem die absolute Mehrheit von 504 der 1007 Wahlmänner ausgereicht hätte, brachte kein Ergebnis. Die Demokratische Partei (PD) Pier Luigi Bersanis hatte am Morgen einstimmig den früheren EU-Kommissionspräsidenten und zweimaligen Premierminister Romano Prodi zu ihrem Kandidaten nominiert. Prodi selbst wurde von dem Beschluss in Mali überrascht, wo er sich derzeit auf einer UNO-Mission für Afrika aufhält.
Als die Stimmen des vierten Wahlgangs am Freitagabend ausgezählt waren, gab es ei der PD allerdings lange Gesichter. Mit 395 Stimmen verfehlte Prodi das Quorum um 109 Stimmen, obwohl das Mitte-Links-Lager im Wahlkollegium über 496 Wahlmänner verfügte.
Prodi zog daraus die Konsequenzen und erklärte, dass er nicht mehr als Kandidat zur Verfügung stehe.
Stefano Rodotà, der Kandidat von Beppe Grillos 5-Sterne-Bewegung (M5S), der im ersten Wahlgang auf 240 Stimmen, im zweiten auf 230 und im dritten auf 250 Stimmen gekommen war, erreichte mit 213 Stimmen auch im vierten Wahlgang um 50 Stimmen mehr als die M5S an Wahlmännern stellten.
Innenministerin Anna Maria Cancellieri, die von den Zentrumsparteien um Mario Monti unterstützt wurde, kam auf 78 Stimmen. 15 Stimmen entfielen auf den früheren Regierungschef und Außenminister Massimo D‘Alema. 13 weitere Stimmen auf 7 weitere Kandidaten und 15 Wahlmänner gaben weiße Stimmzettel ab.
Berlusconis PdL und die mit ihm verbündete Lega Nord nahmen an der Abstimmung nicht teil. Mehrere ihrer Abgeordneten protestierten während der Abstimmung vor dem Parlamentsgebäude gegen die Kandidatur Prodis. Die Abgeordnete Alessandra Mussolini provozierte vor dem und im Parlament mit einem T-Shirt mit der Aufschrift "Il Diavolo porta Prodi" (Der Teufel trägt Prodi).
Prodi für PdL wie "Knoblauch für Vampire"
Prodi, der laut der Turiner Tageszeitung "La Stampa" der Berlusconi-Partei so lieb ist "wie Knoblauch den Vampiren", stieß bei der PdL, die seit Monaten gegen die Möglichkeit seiner Kandidatur ankämpft, natürlich auf entschiedene Ablehnung. "Prodi ist eine Wahl, die spaltet, das Gegenteil dessen, was Italien braucht", kritisierte Senatsvizepräsident Maurizio Gasparri.
Pier Luigi Bersanis PD, die nach dem früheren Senatspräsidenten Franco Marini in dieser Präsidentenwahl mit Prodi bereits ihren zweiten Kandidaten verbrannt hat, befand sich nach dem verheerenden Ergebnis im Schockzustand. Bersani beriet mit seinen engsten Mitarbeitern En rico Letta, sowie den derzeitigen Fraktionsvorsitzenden in Abgeordnetenhaus und Senat , Roberto Speranza und Luigi Zando, sowie deren Vorgängern Dario Franceschini und Anna Finocchiaro die nächsten Schritte.
Offensichtlich haben Wahlmänner aus dem Lager der ehemaligen Volkspartei sich im vierten Wahlgang für das Fallenlassen des ersten Kandidaten Franco Marini gerächt.
Bersanis Koalitionspartner, die linksökologistische SEL, die in den ersten drei Wahlgängen für den M5S-Kandidaten Rodotà gestimmt hatte, hatte für den vierten Wahlgang ihre Unterstützung für Romano Prodi angekündigt, der von Anfang an ihr Favorit für das Präsidentenamt war.
Für Matteo Renzi, den ewigen Gegenspieler des Parteichefs, der ebenfalls zu den Anhängern Prodis gezählt hatte und dessen Anhänger schon im ersten Wahlgang dem Parteikandidaten Marini die Gefolgschaft versagt hatten, ist die Kandidatur Prodis Geschichte. Bersani selbst gilt als schwer angeschlagen. Auch über seinen Rücktritt wird bereits diskutiert.
Das Ergebnis des vierten Wahlgangs verschafft jedenfalls Berlusconis PdL Luft. Bei jeder der 15 Stimmen die auf Massimo D‘Alema entfallen waren, war aus ihren Reihen im Parlament Applaus aufgebrandet. Der PdL-Fraktionschef im Senat, Renato Schifani meinte denn auch, jetzt sei der Moment, wo die Mitte-Rechts-Koalition eine eigene Liste mit den Namen ihrer Kandidaten präsentieren sollte. Damit will sich die PdL offensichtlich für die Kandidatur Prodis rächen, die sie als Schlag ins Gesicht wertet.
Grillo verweigert Prodi seine Zustimmung
Die 5-Sterne-Bewegung (M5S) Beppe Grillos hatte bereits am Freitagmittag angekündigt, dass sie auch im vierten Wahlgang, an ihrem Kandidaten festhalten werde. Grillo sagte, man würde im Fall der Wahl Rodotàs zum Staatspräsidenten jedwede Regierung akzeptieren. Im Gegensatz zu vorherigen Andeutungen aus seiner Partei, die eine Zustimmung für Prodi angedeutet hatte, meinte der M5S-Parteichef aber, dass seine Bewegung niemals für Prodi stimmen werde, obwohl dieser sogar auf ihrer neun Namen umfassenden Vorwahlliste stand.
Am Vormittag hatten die M5S-Fraktionschefs in Senat und Abgeordnetenhaus, Vito Crimi und Roberta Lombardi, ihren Präsidentschaftskandidaten Rodotà in dessen Haus besucht und danach den Journalisten mitgeteilt, dass Rodotà beabsichtige, an seiner Kandidatur festzuhalten, dass er aber kein Hindernis sein werde, wenn die Bewegung andere Lösungen in Betracht ziehe.
Der nächste Wahlgang soll am Samstagvormittag, stattfinden.
Bei den bisherigen italienischen Präsidentenwahlen waren bis zu 23 Wahlgänge zur Kür eines Staatsoberhauptes - 1971 bei der Wahl des Christdemokraten Giovanni Leone - notwendig. Der Sozialdemokrat Giuseppe Saragat wurde 1964 erst im 21. Wahlgang gewählt. In den Jahren 1978 und 1992 gab es 16 Wahlgänge, bis der Sozialist Sandro Pertini, beziehungsweise der Christdemokrat Oscar Luigi Scalfaro Präsident waren.