Wenn die Schweizer Bevölkerung über den Beitritt ihres Landes zu den europäischen Sicherheits- und Asylabkommen von Schengen und Dublin entscheidet, könnten die Abstimmungen in Frankreich und den Niederlanden Folgen zeigen. Die Ablehnung der EU-Verfassung liefert den Europa-Skeptikern nämlich zusätzliche Argumente.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 19 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Ablehnung kann ansteckend sein. Zwar stimmen die Schweizerinnen und Schweizer am Sonntag nicht über die EU-Verfassung ab. Doch das Nein zum Vertragswerk in Frankreich und den Niederlanden könnte die Europa-Skepsis schüren, befürchten Europa-Befürworter. Schon einmal, 1992, sprachen sich die meisten Wahlberechtigten gegen eine weitreichende wirtschaftliche Übereinkunft mit Brüssel aus; vor vier Jahren lehnte die Mehrheit ein Beitrittsgesuch zur Europäischen Union ab.
Doch ein EU-Beitritt steht derzeit nicht zur Debatte. Vielmehr soll über die Mitgliedschaft im Schengen-Raum entschieden werden, in dem Reisefreiheit ohne Grenzkontrollen gilt. Das Dubliner Abkommen, über das ebenso abgestimmt wird, regelt wiederum die Asylmigration. Es soll etwa verhindern, dass ein Asylantrag in verschiedenen Staaten eingereicht werden kann.
Während die meisten Parteien für einen Beitritt zum Schengen-Raum warben, sprachen sich kleine rechtskonservative Parteien sowie Christoph Blochers Schweizerische Volkspartei (SVP) dagegen aus. Sie warnten vor einem Verlust von Sicherheit und Arbeitsplätzen. Blocher selbst, als Justizminister Teil der Regierung, konnte sich allerdings nicht an die Spitze der Schengen-Gegner stellen, wie er es als Oppositionsführer getan hatte.
Befürworter der Abkommen finden sich vor allen in Wirtschaft und Tourismus. Eine Mitgliedschaft im Schengen-Raum bringt einfachere Warenkontrollen und Erleichterungen für Reisende aus Übersee, die kein zusätzliches Visum anfordern müssen.
Doch die Zustimmung zu den Abkommen sinkt. Ende Mai waren Umfragen zufolge 55 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer für ein Ja; einen Monat zuvor waren es noch 62 Prozent. Meinungsforscher sprechen bereits von einem Trend zum Nein.
Mehr Interesse an Schengen
Andere Länder hingegen sind an einem Beitritt zum Schengen-Raum weit interessierter. So halten die neuen EU-Staaten an den Plänen einer Mitgliedschaft ab 2007 fest. Auch Österreichs Innenministerin Liese Prokop sprach sich am Freitag beim Treffen der EU-Innenminister in Luxemburg für ein baldiges Ende der Grenzkontrollen zu den Ländern aus. Den angepeilten Termin hält Prokop für "möglich". Voraussetzung für den grenzenlosen Personenverkehr ist aber die Funktionstüchtigkeit der zweiten Generation des Schengen-Informationssystems (SIS II). Die EU-Kommission hat erst am Mittwoch 40 Mio. Euro für die Errichtung der notwendigen Computersysteme bereitgestellt. Doch zumindest ein Staat könnte Schwierigkeiten mit der rechtzeitigen Implementierung haben: Dem Vernehmen nach will Tschechien die Frist verschieben.