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"Derzeit keine Überweisung möglich. Bitte wenden Sie sich an Ihren Betreuer", verkündet ein Pop-Up auf der E-Banking-Seite meiner Bank, was in diesem Monat klar nicht am Kontostand liegt, sondern am Server. Die Wartezeit bis zur Behebung des Gebrechens gibt Raum für eine Nachdenkpause über den Einsatz von Sprache. Dazu aus dem Duden, Stichwort Betreuer: "Ein gesetzlicher Vertreter von Volljährigen, die für ihre eigenen Angelegenheiten nicht sorgen können und damit einer Betreuung bedürfen .. . als Betreuer werden auch pädagogische Mitarbeiter in Wohnheimen für Behinderte und Einrichtungen der Jugendhilfe bezeichnet, die als Erzieher oder Pädagogen ausgebildet sind".
Meine Großmutter wurde, altersschwach geworden, bis zum Tod von BetreuerInnen gepflegt. Mein Vater wurde in einer Rehab-Klinik drei Wochen lang von BetreuerInnen umsorgt. Gefängnispsychologen betreuen Kriminelle, Zivildiener Bedürftige, Mütter pflegenderweise ihre an Grippe erkrankten Kinder.
Muss ich mich als Kunde einer Bank als entmündigt, bedürftig, kindlich, kriminell oder siech einschätzen, weil ich dort einen Betreuer habe? Oder wollen die Manager mit der Wortetikette nur so tun, als ob, und einen Service suggerieren, den sie nicht bieten? Ich habe jedenfalls schon lange nicht mehr das Gefühl, irgendwo "betreut" zu werden. Im Supermarkt suche ich mir meine Sachen selbst, und dann sitzt jemand da, der abkassiert. Meinen Bankbetreuer habe ich zum letzten Mal zu Weihnachten 2011 gesehen. Und Zinsen gibt es kaum noch - genau genommen zahle ich dafür, dass jemand sich mein Geld ausborgt.