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Auch "Uncle Sam" hält in Afghanistan Hand auf

Von WZ-Korrespondentin Agnes Tandler

Politik

15 Prozent der Gelder einbehalten. | Streubomben trotz Verbots gelagert. | Neu Delhi. Afghanistans Millionen-Spiel folgt vergleichsweise einfachen Regeln. Jeder nimmt sich, was er kann, lautet die Devise. Dies legen die von der Internet-Plattform Wikileaks veröffentlichten Geheim-Dokumente der US-Botschaft in Kabul nahe, die die britische Zeitung "The Guardian" am Freitag abdruckte.


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Da ist der Koffer mit 52 Millionen Dollar Bargeld, mit dem Afghanistans Vizepräsident Ahmed Zia Massud im Oktober 2009 am Flughafen in Dubai gestoppt wurde. Ein Bericht der US-Botschaft notiert, dass die Beamten in den Arabischen Emiraten Massud ohne eine nähere Auskunft über die Herkunft des Geldes ziehen ließen.

"Enorme Summen an Bargeld kommen und gehen wöchentlich, monatlich und jährlich ins Land", heißt es in einer Depesche des US-Botschafters Karl Eikenberry. Drogenhändler, korrupte Beamte und auch Geschäftsleute würden wenig Sinn darin sehen, Millionen-Dollar in Afghanistan zu belassen, wenn sie sie besser außerhalb des Landes anlegen könnten, begründet der Spitzendiplomat den Mittelabfluss.

So soll Sher Khan Farnud, der kürzlich in Ungnade gefallene Vorstand der Kabul Bank, des größte privaten Geldhauses Afghanistans, gleich 39 Grundstücke in der Luxusinsel-Siedlung Palm Jumeirah in Dubai besitzen. Die Telegramme aus Kabul zeichnen insgesamt das verheerendes Bild einer völlig korrupten Elite. Von der gesamten Regierung scheint lediglich Landwirtschaftsminister Asif Rahimi "der einzige Minister zu sein, gegen den es keine Bestechungsvorwürfe gibt".

Abkassieren inWild-West-Manier

Doch auch das amerikanische Geschäftsgebaren in Afghanistan scheint kein Vorbild für tugendhaftes Wirtschaften. Während afghanische Beamte, Warlords und Drogenbarone internationale Entwicklungs- und Aufbauhilfe in die eigene Tasche stecken, kassieren die USA offenbar in Wild-West-Manier von ihren Nato-Partnern ab. Deutschland, so zeigen die klassifizierten Dokumente, beschwerte sich zumindest bitter darüber, dass 50 Millionen Euro im vergangenen Jahr verschwanden, die es für den Aufbau der afghanischen Armee in einen Gemeinschaftstopf eingezahlt hatte. Die USA verlangten 15 Prozent Verwaltungsgebühren und verdienten so Hunderte Millionen an den Zuwendungen ihrer Alliierten für die afghanischen Streitkräfte.

Der deutsche Botschafter bei der Nato in Brüssel, Ulrich Brandenburg, protestierte gegen das Vorgehen. Die US-Seite stellte dies als nicht korrekt dar und meinte, die 15 Prozent seien doch eher eine "Rücklage" als eine Handling-Gebühr.

Insgesamt, so zeigen die Berichte, sind sich die Alliierten in Afghanistan oft nicht gut gesonnen. So ziehen die USA gemeinsam mit den Afghanen über die militärische Leistung der Briten im Süden des Landes her. "Wir und (Afghanistan Präsident Hamid) Karzai stimmen darin überein, dass die Briten nicht in der Lage sind, Helmand zu sichern", schreibt ein amerikanischer Diplomat 2008 nach Washington über die Lage in der afghanischen Provinz, wo die Briten stationiert sind. Noch unangenehmer für das Vereinigte Königreich dürfte die Enthüllung sein, dass das Land den USA erlaubte, die international geächteten Streubomben auf seinem Territorium zu lagern.

Mehr als 40 Staaten, darunter Deutschland und Großbritannien, haben sich zur Nichtnutzung der schon im Vietnam-Krieg eingesetzten Sprengsätze verpflichtet. Die USA gehören nicht dazu. Als Afghanistan 2008 ohne vorherige Absprache den Bann unterzeichnete, versuchten die USA die afghanische Regierung davon zu überzeugen, dass die USA und die Nato-Schutztruppe trotz allem Streubomben in Afghanistan legal einsetzten dürften, wie die Botschafts-Telegramme zeigen.