ÖGB-Garantie nicht ausgewiesen. | Staatsanwalt erweitert Anklage. | Gutachter: Bawag-Bilanzen falsch. | Wien. Es war ein ähnliches Bild wie zwei Tage zuvor: Am Mittwoch gab der Ex-Aufsichtsratschef und Ex-ÖGB-Finanzreferent Günter Weninger gleich zu Beginn der Verhandlung eine Erklärung ab, in der er Bilanzfälschung gestand. Damit folgte er dem Beispiel des früheren Bilanz-Vorstands und Bawag-Generaldirektors Johann Zwettler, der diesen Schritt bereits am Montag gesetzt hatte.
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Beide Geständnisse kamen genau rechtzeitig, denn ebenfalls am Mittwoch präsentierte Gutachter Thomas Keppert seine Untersuchungsergebnisse zu den Bilanzen der Bawag, sowie der ÖGB Vermögensverwaltung (ÖVV) und der Österreichischen Gewerkschaftlichen Solidarität Privatstiftung (ÖGSP). Das Ergebnis ist vernichtend: Sämtliche Jahresabschlüsse der Bawag zwischen 1998 und 2002 waren nichtig, so der Buchsachverständige. (Die Bilanzen 2003 und 2004 werden erst im Jänner dargelegt.) Keppert bemängelte vor allem fehlende Wertberichtigungen in den Jahresabschlüssen, für das Jahr 1998 etwa 558 Millionen Euro, 1999 knapp 1,2 Milliarden und 2000 noch 86,45 Millionen. Laut dem Gutachter kamen diese Zahlen deshalb zustande, da Bilder und Liegenschaften als Sicherheiten für Kredite überbewertet waren.
Ab dem Jahr 2000 halten sich die fehlenden Wertberichtigungen nur deshalb in überschaubarem Rahmen, da der ÖGB für das Flöttl-Obligo garantierte. Weil die Ausfallshaftung jedoch nicht sämtliche Verbindlichkeiten umfasste und diese zum Teil an Tochter- und Offshore-Gesellschaften verkauft wurden, fehlten bereits wieder im Jahresabschluss 2001 Wertberichtigungen in der Höhe von mehr als einer halben Milliarde Euro.
Garantie in Bilanzen nicht erwähnt
Im Jänner 2001 gab der ÖGB bzw. die ÖVV eine Garantieerklärung ab, mit der die uneinbringlichen Kredite besichert wurden. Schon 2002 wurde diese Garantie durch Kreditanträge der ÖGSP ersetzt, was einer Ausfallshaftung gleichkommt. Allerdings enthalten weder die Jahresabschlüsse der ÖVV noch jene der ÖGSP Hinweise auf die Garantien. Daher, so Keppert, seien auch diese Bilanzen nichtig.
Weningers Geständnis bezog sich auf diesen letzten Punkt. Mit der Fälschung der Bawag-Bilanzen habe er nichts zu tun gehabt. Die Garantie sei ja eben dazu gedacht gewesen, der Bawag eine ordentliche Bilanzierung zu ermöglichen, so Weninger.
Geständnis schon vor der Anklage
Interessanter Aspekt: Am Mittwoch Morgen gestand Weninger ein Delikt, dessen er zu diesem Zeitpunkt gar nicht angeklagt war. Erst am Nachmittag erweiterte Staatsanwalt Georg Krakow die Anklage um die ÖVV/ÖGSP-Bilanzfälschung. Da es dabei jedoch nicht um einen Verstoß gegen das Aktiengesetz, sondern gegen das GmbH- und das Privatstiftungsgesetz geht, ist der Strafrahmen geringer.
Nicht nur in Bezug auf Weninger wurde die Anklage erweitert. Auch Ex-Bawag-Boss Helmut Elsner wird zusätzlich wegen der falschen ÖGSP-Bilanzen angeklagt. Krakow erhöhte außerdem die den Angeklagten vorgeworfene Schadenssumme, wodurch sich allerdings die Strafdrohung von maximal zehn Jahren Haft nicht erhöht. Eine weitere Ausdehnung der Anklage ist zudem wahrscheinlich, da die Bawag aufgrund der falschen Bilanzen zu viel Körperschaftssteuer und zu hohe Dividenden zahlen musste.
+++ Die Stimme des Volkes