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Auch Wölfe zeigen Zuneigung

Von Alexandra Grass

Wissen

Verhaltensforscher sind einem bemerkenswerten Bindungsverhalten auf die Spur gekommen.


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Hunde sind Naturtalente, wenn es darum geht, dem Menschen gegenüber Zuneigung zum Ausdruck zu bringen. Dass diese bemerkenswerte Fähigkeit, Bindungsverhalten gegenüber menschlichen Bezugspersonen zu zeigen, auch bei Wölfen existiert, beschreiben Forscher im Fachblatt "Ecology and Evolution". Bisher war man davon ausgegangen, dass dieses emotionale Verhalten bei Hunden erst entstanden ist, nachdem der Mensch sie vor mindestens 15.000 Jahren domestiziert hat. Nun sehen die Wissenschafter gehäuft Hinweise dafür, diese Hypothese widerlegen zu können.

Forscher der Universität Stockholm führten mit insgesamt zehn Wölfen und zwölf Hunden einen Verhaltenstest durch, der speziell dazu entwickelt wurde, das Bindungsverhalten von Caniden zu quantifizieren. Während dieses Tests unterschieden 23 Wochen alte Wölfe spontan zwischen einer vertrauten Person und einem Fremden genauso gut wie Hunde und zeigten mehr Nähe suchendes und anhängliches Verhalten gegenüber der vertrauten Person. Zudem wirkte die Anwesenheit des vertrauten Menschen "wie ein sozialer Stresspuffer für die Wölfe", der sie in einer stressigen Situation beruhigte, heißt es in der Studie.

Ähnlichkeiten aufgezeigt

Das zeigte sich bei folgendem Vorgehen: Bei einem der Tests kommen abwechselnd eine vertraute Person und ein Fremder in einen Versuchsraum und verlassen ihn wieder, um eine etwas seltsame und stressige Situation für das Tier zu schaffen. Die Theorie hinter dem Test, der ursprünglich entwickelt wurde, um die Bindung bei menschlichen Säuglingen zu untersuchen, besagt, dass durch die Schaffung dieser instabilen Umgebung das Bindungsverhalten, wie zum Beispiel die Suche nach Nähe, stimuliert wird. Es war ganz klar zu sehen, dass die Wölfe, genau wie die Hunde, die vertraute Person der fremden vorzogen, schildern die Forscher in ihrer Arbeit. Noch interessanter war ihnen zufolge allerdings, dass die Wölfe von der Testsituation mehr betroffen waren als die Hunde. Sie liefen im Versuchsraum auf und ab. Das Herumlaufen hörte aber auf, sobald eine vertraute Person - in diesem Fall jene, die die Tiere mit der Hand aufgezogen hat - den Testraum wieder betrat.

"Ich glaube nicht, dass dies jemals zuvor bei Wölfen nachgewiesen wurde", betont die Verhaltensforscherin Christina Hansen Wheat von der Universität Stockholm. Und dies ergänze auch das Vorhandensein einer starken Bindung zwischen den Tieren und der nahestehenden Person.

Die Studien seien von Bedeutung, denn sie zeigen, dass Ähnlichkeiten zwischen Hunden und Wölfen uns etwas darüber sagen können, woher das Verhalten, das wir bei unseren Hunden beobachten, kommt. "Und obwohl es für einige überraschend sein mag, dass Wölfe sich auf diese Weise mit einem Menschen verbinden können, macht es rückblickend auch Sinn."

Selektionsvorteil möglich

Denn Wölfe, die eine auf den Menschen ausgerichtete Bindung zeigen, könnten in den frühen Stadien der Domestizierung von Hunden einen Selektionsvorteil gehabt haben.

Die Forscherin will nun weiter mit den Daten arbeiten, die sie und ihr Team im Laufe der vergangenen drei Jahre gesammelt haben. Sie hatten Wölfe und Hunde unter identischen Bedingungen von Hand aufgezogen, um noch mehr über ihre Verhaltensunterschiede und -ähnlichkeiten zu erfahren. Nun wollen die Forscher auch verstehen, wie die Domestizierung das Verhalten beeinflusst.