"Öffentliches Interesse in der Wirtschaft: Wer wahrt es? Wie setzt es der Bürger durch?" · Das ist eines der zentralen Themen beim diesjährigen Presseseminar des Verbandes der Öffentlichen | Wirtschaft und Gemeinwirtschaft Österreichs.
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"Auch auf EU-Ebene ist mittlerweile klargestellt, daß sich der Staat seiner wirtschaftlichen Verantwortung nicht entziehen kann", konstatiert Verbands-Geschäftsführer Gerhard Greiner, "der
wachsende Infrastrukturbedarf · vor allem z.B. die transeuropäischen Netze · läßt sich nicht uneingeschränkt mit den Prinzipien der Marktwirtschaft und des Wettbewerbs in Einklang bringen".
Dienstleistungen "von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse" sind im Amsterdamer EU-Vertrag der "Daseinsvorsorge" zugeordnet, erbringen müssen sie die nationalen Regierungen. Die Schere zwischen
Bedarf und Möglichkeiten wird größer · werden aus budgetären Gründen öffentliche Vorhaben zurückgestellt, spürt das die Privatwirtschaft. Mittelfristige Bedarfsprognosen zeigten, daß der vom
potentiellen Investitionsvolumen her bedeutsamste Bereich für Infrastrukturinvestitionen in Österreich in den nächsten 10 bis 15 Jahren mit 200 bis 220 Mrd. Schilling in der kommunalen Ver- und
Entsorgungsstruktur liegen dürfte.
Beachtlich ist laut Greiner auch der Schienenbereich · hier rechnet man mit bis zu 220 Mrd. Schilling · und die Straße mit bis zu 170 Mrd. Schilling. Dies kann weder die öffentliche Hand noch die
Privatwirtschaft allein bewerkstelligen. "Es ist höchst an der Zeit, über vernünftige Kooperationen nachzudenken. Wenn die entsprechenden Voraussetzungen nicht gegeben sind, könnten die sogenannten
Private-public-partnership-Projekte auch zu schlechteren Ergebnissen führen als die bisherige öffentliche Bereitstellung von Infrastruktur". Die private Wirtschaft hat auf diesem Gebiet die
in sie gesetzten Erwartungen laut Greiner noch nicht erfüllt. Auch müßte Chancengleichheit für die öffentlichen Unternehmen gegeben werden, vor allem im Bereich Umweltauflagen.
Hummelbrunner: Wertstei-
gerung statt Versorgung
Wie sich offene Märkte und Globalisierung auf dem Energiesektor auswirken, beleuchtete die Diskussion. Karl Hummelbrunner, Leiter der Unternehmensentwicklung beim Öl- Gas- und Chemiekonzern OMV
sieht einen "epochalen Paradigmenwechsel". Statt volkswirtschaftlich gesteuertem Ziel Versorungssicherheit ginge es jetzt "aktionärsgesteuert" um Wertsteigerung.
Die OMV, mittlerweile zu gut 50% im Besitz ausländischer Aktionäre, profitiere davon, international Erfahrungen zu bekommen und sich weltweit an der "Best practice" der Konkurrenz orientieren zu
können · und zu müssen. "Gibt es überzeugende Argumente für inländisches strategisches Eigentum an Energiekonzernen", fragt er und hat die Antwort gleich parat: Die Bereiche mit der höchsten
Wertschöpfung und Entscheidungskompetenz sind bei multinationalen Unternehmen überwiegend im Land des Mehrheitseigentümers angesiedelt. "Wenn wir die Entwicklung nicht als Bedrohung, sondern als
Chance sehen, dann gibt es auch in 10 Jahren noch eine OMV mit Hauptsitz in Österreich, die weitmehr als die Hälfte ihres Umsatzes und auch einen erklecklichen Teil ihres Gewinns im Ausland macht.
Noch größere Umwälzungen sieht der Österreicher Erich Haas, früher Chef der ARA, jetzt Repräsentant der Bayernwerk-AG in Österreich, für die Strombranche. Das Bayernwerk, größer als alle
österreichischen Elektrizitätsversorgungsunternehmen zusammen, ist in Deutschland die Nummer 3, in der EU Nummer 7 · und, so Haas, "mit 3% Marktanteil in Europa nicht allein überlebensfähig gegenüber
einer Electricite de France (EdF) mit 30% Marktanteil, oder einer italienischen ENEL mit mehr als 20%".
Gerade in der Strombranche wirken sich die "economics of scale" besonders stark aus. "Das Bayernwerk hat die Isar-Amper-Werke übernommen, der Kaufpreis amortisiert sich binnen 10 Jahren allein durch
Synergieeffekte". Der Konzentrationsprozeß werde rasant weitergehen, erwartet Haas, am Ende werde nur mehr die Hälfte aller derzeit aktiven Stromunternehmen auf dem Markt tätig sein. Für ihn ist die
Pionierzeit der Elektrizität vorbei, flächendeckende Erschließung mit einheitlichen Tarifen verwirklicht, Qualität und Zuverlässigkeit der Versorgung problemlos gegeben. Erhebliche Überkapazitäten
würden dazu führen, daß die Preise sinken, es keine Gebietsmonopole mehr geben werde und Strom zu einer "Ware wie jede andere" werde. "Gewinnen werden jene mit Kostenführerschaft und der am meisten
serviceorientierten Ausrichtung auf die Kunden".
Und da beginnt die Katze, sich in den Schwanz zu beißen: "Wenn die Politik Sonderwünsche hat, dann muß sie das aus öffentlichen Mitteln abdecken" · wie etwa die kostspielige Versorgung auch der
letzten kleinen Ortschaft im hintersten Winkel des Landes".
Hier setzt u. a. die Kritik des früheren Verbundgeneraldirektors Walter Fremuth ein. Der überzeugte Keynesianer steht natürlich den Neoliberalen mit fundierter Skepsis gegenüber: "Wer sorgt
für die Reservehaltung? Wer zahlt die Vorhaltungskosten?" Strom ist für Fremuth keineswegs eine Ware wie jede andere, "weil er nicht gelagert werden kann".
Fremuth: Mit gebundenen
Händen in den Wettbewerb
Eine Stunde Stromausfall in Österreich richtet 430 Mill. Schilling Schaden an. Die entscheidende Kilowattstunde ist die zählende Kilowattstunde, argumentiert Fremuth. Im übrigen werde gerade die
österreichische Elektrizitätswirtschaft mit "gebundenen Händen" in den Wettbewerb gestoßen. "Wir müssen mit Ländern konkurrieren, die Staatsmonopole haben, oder 80% Atomstromanteil, oder deswegen
billig exportieren können, weil sie · wie manche Staaten im Osten · die eigene Bevölkerung nur stundenweise versorgen". Die EU schreibe keineswegs eine Entstaatlichung der Versorgungsunternehmen vor.
"Große Brocken entstaatlichen heißt, im österreichischen Fall, Aktien ins Ausland geben, weil es in unserem Land zu lange zu große Versäumnisse bei der Bildung von Risikokapital gegeben habe.
Der "service publiqe" werde hierzulande leider "hatschert" mit "Wirtschaften im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse" übersetzt. Gewisse Leistungen können aber nach Fremuths Erfahrungen nicht
marktmäßig angeboten werden, private profitorientierte Lieferanten würden stets dazu neigen, sich die Rosinen aus dem Kuchen zu holen. Bedingungen müßten hier definiert werden, sonst könnte ein
Szenario Wirklichkeit werden, in dem schwache, kleine Kunden "die Zeche dafür zahlen, daß Großabnehmer billiger beliefert werden" · wie beim Strom, so auch beim Verkehr und der Infrastruktur.