Kosten für das Fast-Staatsbegräbnis erzürnen so manchen Briten.
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London. Sie starb zu Wochenbeginn - und hält die Nation auch zum Wochenende noch in Atem. Der Streit um Margaret Thatcher will im Vereinigten Königreich kein Ende finden. Jetzt geht es darum, ob der früheren Tory-Premierministerin auf dem Trafalgar Square ein Denkmal gesetzt werden soll. Das halten viele ihre Anhänger nur für angemessen. Die Eiserne Lady, meinen sie, müsse künftigen Generationen als Vorbild im Gedächtnis bleiben. Sie habe einen Platz im Herzen Londons verdient.
Thatchers alter Kampfgefährte Lord Tebbit zum Beispiel, ein vormaliger Minister und Tory-Generalsekretär, hält die Idee für äußerst passend: "Sie sollte auf Trafalgar stehen. Da kann Nelson sie für immer im Auge behalten." Auch Admiräle und Generäle, vor allem aus der Zeit "ihres" Falkland-Feldzugs, würden es gern sehen, wenn die Lady "in voller Lebensgröße" dem Helden der Seeschlacht von Trafalgar Gesellschaft leistete. Die Militärs haben zudem angeregt, den kleinen Hauptort der Falklandinseln umzubenennen: Port Stanley soll künftig Port Margaret heißen.
Wer andere Erinnerungen an Thatcher hat, hält die Trafalgar-Idee für reichlich zynisch. Ausgerechnet auf diesem Londoner Zentralplatz, zwischen Nationalgalerie und Regierungsviertel Whitehall, fand zum Ende ihrer Ära die bittere "Anti-Poll-Tax-Schlacht" statt. Es war die zornigste aller Massen-Demos gegen jene kommunale Einheitssteuer, die den Kessel brodelnder Proteste 1990 vollends zum Überlaufen brachte.
Eine Politikerin, die das Land so tief gespaltet hat, dürfe nicht auch noch hier, am Trafalgar Square, geehrt werden, erklären Gegner ihrer Politik. Tory-Premier David Cameron und Londons Tory-Bürgermeister Boris Johnson wollen sich vorerst nicht festlegen. Das mit dem Denkmal, meinen sie beschwichtigend, könne man auch nach Thatchers Begräbnis am Mittwoch überlegen. Erst einmal muss der Streit ums Begräbnis selbst ausgetragen werden, das zwar pro forma eine "zeremonielle" Feier, de facto aber ein Staatsbegräbnis mit allen militärischen Ehren sein wird.
Auch mit dieser letzten Thatcher erwiesenen Ehre sind nicht alle Briten glücklich. Die Kanonenböller, die Trommelschläge, die Anwesenheit der Königin bei den Feierlichkeiten in der St-Paul’s-Kathedrale findet die eine Hälfte der Nation sehr übertrieben. Die andere Hälfte hält sie für richtig. Schließlich, erklärte Premier Cameron diese Woche im Unterhaus, habe die Eiserne Lady "Britannien wieder groß gemacht".
Nicht zur Trauerfeier eingeladen wird - wegen des Falkland-Streites - laut Regierungskreisen Argentiniens Präsidentin Cristina Fernandez de Kirchner: Dagegen habe sich Thatchers Familie ausgesprochen. Aus Österreich wird Vizekanzler und Außenminister Michael Spindelegger erwartet, Bundeskanzler Werner Faymann reist nicht nach London.
EU-Rabatt sparte Vielfaches
Die Kosten der Veranstaltung für den Steuerzahler, auf acht bis zehn Millionen Pfund (etwa 11,7 Millionen Euro) geschätzt, drohen einigen Unmut auszulösen. Da überall radikal gekürzt wird, stößt manchem eine solche Ausgabe auf. Freilich hat Außenminister William Hague seinen Landsleuten vorgerechnet, dass Thatcher ihrem Land allein durch den von ihr erhandelten EU-Rabatt "bis heute 75 Milliarden Pfund gespart" habe (nach aktuellem Wert 88 Milliarden Euro). Somit solle man nicht knauserig sein und könne "schon mal was beitragen".
Verwirrung hat unterdessen eine Anweisung des Hague’schen Ministeriums vom Dienstagabend hervor gerufen, wonach alle Diplomaten, hohen Staatsbeamten und Militärs am Mittwoch, wie bei der Bestattung von gekrönten Häuptern, Trauerkleidung, Frack und schwarze Armbinden zu tragen hätten. Das, entschuldigte sich das Foreign Office anderntags, sei ein Missverständnis gewesen, weil es sich ja nicht wirklich um ein Staatsbegräbnis handle. Am Mittwochabend hatte es die Order widerrufen. Nun dürfen die Botschafter Ihrer Majestät ohne Frackschöße zur Arbeit gehen.
Unsicher sind viele Sportvereine, wie viel Respekt sie der Verstorbenen erweisen sollen. Einige Fußballklubs wollen am Samstag eine Schweigeminute einlegen. Die großen Verbände der Branche haben abgeraten: Sie befürchten, die Gedenkpause würde in "Thatcher-unfreundlichen" Gebieten schlicht nicht eingehalten.
Eingefleischte Thatcher-Gegner planen Proteste fürs Wochenende und für Mittwoch. Am Samstag soll es eine Großkundgebung auf dem Trafalgar Square geben. Auch am Rande des Trauerzuges wollen einige Gruppen demonstrieren. Die Polizei bereitet "vorbeugende Maßnahmen" zur Vereitlung möglicher Übergriffe vor. Sie hat Demonstranten aufgefordert, sich vorab "zu identifizieren".