Deutschland und Frankreich bei Aufsicht für Geldhäuser uneins.
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Brüssel. Es ist nicht zuletzt ein Ringen um Worte. Am Anfang war da beispielsweise die Rede von einer "fiskalischen Kapazität". Das wurde dann übersetzt in die verständlichere Bezeichnung "Euro-Budget". Und nun tauchte noch eine andere Formulierung auf: "Solidar-Fonds". Doch welcher Begriff auch immer verwendet wird - es war die dahintersteckende Idee, die beim Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel für Debatten sorgte. Die drehten sich um Überlegungen, wie die Wirtschafts- und Währungsunion gestärkt werden könnte. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy hat dazu eine Ideensammlung vorgelegt, erarbeitet gemeinsam mit den Präsidenten der EU-Kommission, der Eurogruppe und der Europäischen Zentralbank (EZB), José Manuel Barroso, Jean-Claude Juncker und Mario Draghi.
Darin fand sich eben die "fiskalische Kapazität". Die Währungsunion brauche einen "integrierten budgetären Rahmen". Anders gesagt: Ein eigener Haushalt für die Eurozone müsse etabliert werden.
Als die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel kurz vor dem Gipfeltreffen von einem "Solidar-Fonds" sprach, schien der Begriff des Eurobudgets noch erweitert. Doch das Prinzip war das gleiche: Es sollte ein Mechanismus geschaffen werden, mit dem in die Krise geratene Länder unterstützt werden können. Gleichzeitig aber wäre es ein Mittel, Druck auf die Staaten auszuüben, Reformen umzusetzen.
Ein "Anreizsystem" wird das in deutschen Regierungskreisen genannt. Doch geht es Berlin auch um die Kontrollmöglichkeiten: Statt mehr oder minder unverbindlicher Empfehlungen oder einer Androhung von Sanktionen soll es eine Verpflichtung zu Haushaltsdisziplin geben. Das sei aber keineswegs als "dauerhaftes Subventionssystem" gedacht, und auch die Mittel dafür müssten begrenzt sein, heißt es in Berlin.
Tauziehen um Finanzen
Woher das Geld stammen und wofür es genau verwendet werden soll, ist aber noch völlig unklar. Weder Brüssel noch Berlin liefern dazu genaue Vorschläge. Wien steht dem Vorhaben überhaupt skeptisch gegenüber, und Länder, die nicht der Eurozone angehören, befürchten, dass ein eigener Eurohaushalt auf Kosten des gesamten Unionsbudgets gehen könnte. Auch wenn Van Rompuy dafür plädiert, den Etat außerhalb des EU-Finanzrahmens anzusiedeln, hegt Polen beispielsweise große Sorgen, dass es künftig weniger als bisher von den milliardenschweren EU-Förderungen profitieren würde.
Frankreich wiederum wollte beim Gipfel sowieso ein anderes Thema im Vordergrund sehen. Bei dem Treffen gehe es keineswegs um die Fiskal- sondern um die Bankenunion, stellte Staatspräsident François Hollande klar. Wie Madrid drängt Paris darauf, so rasch wie möglich eine europäische Bankenaufsicht zu etablieren. Berlin hingegen findet den Zeitplan, im kommenden Jahr mit der Kontrolle zu beginnen, zu ambitioniert.
Der Grund, warum Spanien und Frankreich zur Eile mahnen, ist der gleiche, aus dem Deutschland zögert. Die gemeinsame Aufsicht ist nämlich die Voraussetzung dafür, dass marode Banken direkt Nothilfe aus dem Rettungsfonds ESM erhalten können. Berlin, das einen großen Teil der Haftung übernehmen wird, hätte gegen einen Aufschub dieser Möglichkeit nichts einzuwenden. Daher wird dort immer wieder betont, dass eine direkte Rekapitalisierung erst in Frage komme, nachdem die Bankenaufsicht geschaffen worden ist - und sie auch effektiv ist.
Aus deutscher Sicht dürfte das wohl kaum bereits im kommenden Jahr der Fall sein. Nach Plänen der EU-Kommission soll die EZB ab Jänner nämlich zunächst nur jene Banken überwachen, die bereits Hilfen aus EU-Töpfen oder von staatlicher Seite erhalten haben. Ab Mai ist sie dann für mehr als zwei Dutzend systemrelevante Großbanken zuständig, und spätestens ab 2014 sollen alle Geldinstitute beaufsichtigt werden.
So waren im Vorfeld denn auch die Auffassungen unterschiedlich, was beim herbstlichen Gipfel überhaupt zu entscheiden sei. So gut wie gar nichts, meinte Merkel. "Dies ist kein Rat, auf dem wir Entscheidungen treffen", sagte sie. Vielmehr gelte die Zusammenkunft einer Weichenstellung: Die Beschlüsse, die zur Bankenunion im Dezember geplant sind, sollten nun vorbereitet werden.
Anders betrachtete dies Hollande. Das Treffen müsse das Ziel haben, die Einführung der Bankenunion bis zum Jahresende zu bestätigen.
Debatte um Nicht-Mitglieder
Dafür müssten freilich noch etliche Details geklärt werden. Eine der größten Herausforderungen für eine Bankenunion ist die Tatsache, dass nur 17 der 27 Mitgliedstaaten den Euro als Währung haben. Die Aufsicht über die Institute soll aber die EZB übernehmen, die auch weitreichende Entscheidungen fällen kann. Somit bleibt die Frage, wie Nicht-Mitglieder der Währungsgemeinschaft in die gemeinsame Kontrolle eingebunden werden können. Sie ist nicht nur für diese Staaten interessant, sondern auch für Länder wie Österreich, deren Banken sich in Osteuropa engagieren.
Daher gibt es bereits Überlegungen, ein spezielles Gremium innerhalb der EU einzurichten, wo Vertreter aus Nicht-Eurostaaten ein Mitspracherecht bekämen. Auf dieses hatte sowohl Schweden gepocht, das eine Einführung des Euro nicht anstrebt, als sich auch Polen gewünscht, das der Eurozone früher oder später beitreten will.
All die Debatten sollten aber nicht zu einer groben Verzögerung bei der Schaffung der gemeinsamen Aufsicht führen, meinte der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann. Eine bessere Kontrolle sei eine notwendige Konsequenz aus der Finanzkrise, erklärte er: "Das Signal muss klar sein: Wir wollen es, und wir werden es machen."
Das Wort "Solidarität" benutzte dann auch Faymann. Das dürfte keine Phrase bleiben, wenn Länder wie Griechenland oder Spanien Schwierigkeiten haben. Diese zwei Staaten waren zwar nicht offiziell Gesprächsstoff beim Gipfel. Am Rande wurde aber auch darüber beraten. Entscheidungen zu möglichen Hilfsprogrammen sind jedoch aufgeschoben. Ihren Bericht zu den Verhandlungen mit Athen hat die Troika aus Vertretern der EU-Kommission, EZB und des Internationalen Währungsfonds nämlich noch immer nicht präsentiert.
Beschlüsse hin oder her: Was sich einige Teilnehmer des Spitzentreffens in Brüssel jedenfalls erwarteten, war eine neue Dynamik in der Debatte um die Zukunft der Union. Oder zumindest die Möglichkeit, "eine gemeinsame Richtung auszumachen", wie es Eurogruppen-Vorsitzender Juncker formulierte. Dafür aber, stellte er fest, müsse jeder einen Schritt tun. "Manchmal gemeinsam, manchmal auf andere zu."