Zum Hauptinhalt springen

Auf dem Rap-Reichsparteitag

Von Christina Böck

Kommentare

Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wenn Marilyn Manson das gemacht hätte, hätte sich keiner aufgeregt. Der zeigt sich ja ganz gern mal im Waffen-SS-Mantel. Aber von US-Rapperin Nicki Minaj hätte man das nicht erwartet. Die macht meistens vor allem mit zwei besonderen Argumenten von sich reden. Und das sind zwei formschöne, wenn auch etwas überdimensionierte Hinterbacken. Ja, es ist so simpel: ihr Popsch ist das Markenzeichen der Rapkünstlerin und in ihrem neuen Video ist er eh auch zu sehen. Aber nicht er lässt das Blut in Wallung geraten, sondern das Drumherum. Das sieht nämlich aus, als hätte Leni Riefenstahl mit ein paar angesagten Graphic-Novel-Artists zusammen einen zackigen Rap-Reichsparteitag gezeichnet. Nicki Minaj erscheint als strenge Latex-Diktatorin, ihre Armee marschiert stramm, rot-weiße Banner und Armbinden sorgen für weitere einschlägige Assoziationen. Kritiker haben Minaj nun vorgeworfen, dass sie mit dem animierten Video "Hitler glorifiziere" und ironische Twitterer formulieren das so: "Gratuliere! Richtige tolle Anspielung auf Verfolgung und Völkermord!"

Den Text des Liedes dürften sich wenige angehört haben. In dem geht es um Cliquenwesen und Exklusivitätshierarchie im Rapwesen. Die Faschismus-Style-Illustration ist eine naheliegende Provokation. Aber dass Rapper nicht die Erfinder der originellen Provokation (wo man Frauen per Bitch anspricht) sind, ist auch nichts Neues. Dass Jugendliche, nicht das unwesentlichste Rap-Publikumssegment, ohne entsprechende Bildung diesen "Witz" ernst nehmen könnten, ist ja nicht Nicki Minajs Problem. Aber das war auch Marilyn Manson immer schon egal.