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Auf dem Rücken der Beamten

Von Christian Rösner

Politik

Kritik der Opposition geht laut Gewerkschaft am Thema vorbei.


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Wien. "Arbeiten unter Rot-Grün macht krank", erklärt der Wiener ÖVP-Landtagsabgeordnete Wolfgang Ulm erneut und bringt als Beispiel die Wiener Linien, deren Krankenstandsquote mit 33,7 Tagen pro Beschäftigten um mehr als 200 Prozent höher liege als in der Privatwirtschaft.

Für Ulm, der auch Mitglied der Gemeinderätlichen Personalkommission ist und seit Jahren den Finger in die offene Wunde der Wiener Personalpolitik legt, belegen diese Zahlen "das unbestritten katastrophale Personalmanagement der Stadt Wien". Alleine die Halbierung des "Wiener Privilegs" auf Frühpensionierung oder das Antrittsalter auf das des Bundes zu heben würde Ulm zufolge 100 Millionen Euro an Einsparungen im Jahr bringen.

Im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" hat Personalstadträtin Sandra Frauenberger Verbesserungen versprochen: Die längst überfällige Besoldungsreform soll endlich in Angriff genommen werden. Und mit ihr auch ein innerbetriebliches Eingliederungsmanagement, das sogenannte Zwangspensionierungen aufgrund von langen Krankenständen künftig reduzieren soll.

"Alles Lippenbekenntnisse"

Konkret will Frauenberger nach einem Modell von Sozialminister Rudolf Hundstorfer eine Art Phasenregelung umsetzen, um am internen Arbeitsmarkt besser verorten zu können, nachzuschulen oder gesundheitlich zu begleiten. Ist etwa ein Bediensteter in einem belastenden Berufszweig aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr einsatzfähig, soll es künftig die Möglichkeit zur Umorientierung nach einer entsprechenden Schulung geben. Dieses Projekt soll laut Frauenberger noch heuer präsentiert werden.

Für die Wiener ÖVP sind das alles Lippenbekenntnisse. "Ich höre das alles schon seit vielen, vielen Jahren. Und es ändern sich die Personalstadträtinnen - Renate Brauner, Sonja Wehsely, jetzt Frauenberger -, aber es ändert sich nicht die Politik", erklärt Ulm. Sogar Bürgermeister Michael Häupl habe gesagt, man müsse das Pensionsantrittsalter in Wien merklich anheben - aber bis heute könne keine Rede davon sein. "Das durchschnittliche Pensionsantrittsalter von 57 Jahren ändert sich seit zehn Jahren nicht. Das kostet dem Steuerzahler Millionen und offensichtlich den Bediensteten ihre Gesundheit", betont Ulm.

Auch über das Eingliederungsmanagement werde schon lange gesprochen. "In einer Anfragebeantwortung von Frauenberger hat es einmal geheißen, dass es in einem Zeitraum von drei Jahren ganze fünf Reaktivierungen gegeben hat. Bei durchschnittlich 600 Frühpensionierungen pro Jahr stehen hier fünf Reaktivierungen 1800 Pensionierungen gegenüber. Wenn mir Frau Frauenberger sagt, wir haben dann bei 1800 100 Reaktivierungen, dann werde ich das anerkennen."

Innerhalb der Gewerkschaft zeigt man sich wiederum besorgt über den politischen Diskurs, weil er letztlich auf dem Rücken der Beamten ausgetragen werde. Die Kritik der Opposition gehe nämlich oft am eigentlichen Problem vorbei, meint Kurt Obermülner, Landesvorsitzender der Fraktion Christlicher Gewerkschafter FCG (siehe Interview). In den Anfragebeantwortungen im Gemeinderat zum Thema Frühpensionierungen würden nur Zahlenfriedhöfe präsentiert, die ein verzerrtes Bild wiedergeben.

"MA 3 reine Alibiaktion"

Denn in diesem Datenmaterial wird laut Obermülner weder zwischen Berufsgruppen unterschieden, noch habe man die "Ausreißer" in diesen berücksichtigt. Dass das durchschnittliche Pensionsantrittsalter im Bund bei 60,6 Jahren liegt, rechtfertigt man in der Gewerkschaft (und auch im Stadtratbüro) damit, dass dort hauptsächlich im administrativen Bereich gearbeitet werde. In Wien würden hingegen viele Bereiche in die Daseinsvorsorge fallen, wie etwa Müllabfuhr, Kanalbau, Feuerwehr, Krankenpflege - alles Berufe, die besondere Belastungen im physischen oder psychischen Bereich abverlangen.

Die eigens für den Bedienstetenschutz und berufliche Gesundheitsförderung eingerichtete Magistratsabteilung 3 bezeichnet Obermülner als "reine Alibiaktion". Schließlich seien dort für insgesamt 30.000 Bedienstete nur zwei Personen für die betriebliche Sozialarbeit zuständig. Und der unabhängige Bedienstetenschutzbeauftragte sei zwar weisungsfrei, aber doch magistratsnah, sodass die Angst vorherrsche, dass der Vorgesetzte etwas erfahren könnte. Tatsächlich habe es laut Obermülner Einzelfälle gegeben, wo durch das "sanfte Rückfragen" des unabhängigen Bedienstetenschutzbeauftragten der Konflikt erst so richtig eskaliert sei.

Und beim geplanten Eingliederungsmanagement gibt der Gewerkschafter zu bedenken, dass dieses schnell zur Drohkulisse für die Bediensteten werden könnte, wenn es zu einer "Umschichtung" verpflichten würde oder damit erhebliche Gehaltseinbußen verbunden wären.

Es müsste alles transparenter gemacht werden, resümiert Obermülner. Und das in Verbindung mit einer raschen Besoldungsreform. Die Bezahlung im Gesundheits-, Pflege- und Kindergartenbereich sei schlecht, Mehrleistungen würden vom Finanzamt nicht mehr steuerlich begünstigt, das Konfliktmanagement sei unstrukturiert. Unterm Strich komme eine enorme Unzufriedenheit heraus. Und die anstehende Nulllohnrunde sei das Tüpfelchen auf dem "i": Die Zeit der Lippenbekenntnisse scheint gezwungenermaßen vorbei - hofft man.