Ägyptische Jugend - voller Optimismus und auf Distanz zur älteren Generation.
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Wien. "Seit dem 25. Jänner 2011 hat man das Gefühl, dass nichts mehr unmöglich ist", sagt die zierliche Menerva Hammad. "Die ägyptische Jugend in Österreich ist seit der Revolution auf jeden Fall aktiver geworden." Hammad ist 22 Jahre alt, studiert in Wien Publizistik und ist Mitglied des Vereins "Jugend für Ägypten in Österreich". "Mama" der Gruppe nennt sie sich. Hammad macht gerade ein Stimmtraining bei Kronehitradio und ist auch sonst nicht um Worte verlegen.
Jugend für Ägypten in Österreich ist einer der Vereine, die nach der Revolution in Europa entstanden sind. Auch in anderen europäischen Ländern sind in den ägyptischen Communitys Vereine wie Pilze aus dem Boden geschossen, die an der Entwicklung ihres Herkunftslands teilhaben wollen, wie die "Jugendlichen für Veränderung" in Griechenland oder die "Ägyptische Gemeinde Berlin" in Deutschland.
Auch Mohammed Tarabia war von Anfang an mit dabei: "Angefangen hat das mit zwei Mädchen, die am 28. Jänner 2011 am Stephansplatz eine Demonstration machen wollten und von der Botschaft bedroht worden sind." Aus dem gemeinsamen Wunsch, etwas für Ägypten zu tun, ist dann die Gruppe entstanden. Inzwischen zählt die Facebook-Seite 1412 Fans und 100 Mitglieder. Davon sind rund die Hälfte aktiv, helfen dabei mit, die verschiedenen Events zu organisieren, und besprechen bei regelmäßigen Treffen neue Veranstaltungsideen und Aktionen.
Zwischen 16 und 25 Jahre alt sind die meisten, Studenten und Schüler, die in Österreich geboren sind. Deutsch und Arabisch werden bei den Treffen munter vermischt: "Es kann sein, dass in einem Satz beide Sprachen vorkommen", lacht Hammad. "Manche deutsche Wörter übernehmen wir sogar spaßhalber und ,verarabischen sie dann."
Eine politische Meinung zu entwickeln - das ist für Hammad ein Hauptziel ihrer Arbeit: "Wir wollen, dass ägyptische Jugendliche in Österreich eine Meinung zu ihrem Land entwickeln. Dass sie eine Vision für die Zukunft Ägyptens haben. Dass sie sich in jungem Alter bewusst machen, woher sie kommen." Um eine politische Botschaft, ein bestimmtes politisches Programm, das alle teilen, gehe es ihnen dabei aber weniger. "Wir haben keine politische oder religiöse Richtung. Die Gruppe ist gespalten in verschiedene Meinungen. Der eine ist liberal, der andere für die Muslimbrüder, dem dritten ist es egal, wer gewinnt. Da gibt es sicher Streitigkeiten", sagt Tarabia. Aber jeder soll seine eigene Meinung haben und trotzdem zusammenarbeiten können - wie in Ägypten: "Das muss auch im ägyptischen Parlament so funktionieren, dass die Liberalen, die Muslimbrüder und die Salafisten zusammenarbeiten, sonst wird das Land nicht besser", meint er.
Menerva Hammad und Mohammed Tarabia empfinden ihre Arbeit eher als sozial denn als politisch. Sie sammeln Altkleider und Spenden für Ägypten, laden Gäste zu Diskussionsrunden, den ägyptischen Präsidentschaftskandidat Abdullah Ashaal etwa, oder den Revolutionsdichter Hisham El Gakh. Auch Demonstrationen am Stephansplatz organisieren sie, um den Mitstreitern am Tahrirplatz ihre Loyalität zu zeigen.
Mittlerweile haben auch gewaltsame Ausschreitungen mit Polizei und Militär das öffentliche Bild Ägyptens getrübt. Dem Optimismus im Hinblick auf Ägyptens Zukunft tut das bei der Jugend aber keinen Abbruch. "Der wahre Schritt an der Revolution war doch, dass den Ägyptern klar geworden ist, dass sie etwas verändert haben", sagt Hammad. Dass sich die Umstände nicht so schnell von einem Augenblick zum anderen ändern können, sei klar. Doch der Optimismus strahlt aus jedem ihrer Sätze. "Es ist, als ob wir in einer Seifenblase sind, die niemand zerstören kann", fügt sie hinzu.
Karim Rehem verfolgt die Aktivitäten des Vereins über Facebook. Der 26-jährige Pharmaziestudent ortet seit der Revolution einen neuen Patriotismus unter der ägyptischen Community: "Viele identifizieren sich viel mehr mit Ägypten als früher und zeigen das auch stolz nach außen. I love Egypt-T-Shirts boomen im Moment." Auch für Menerva hat sich viel in ihrem persönlichen Verhältnis zu Ägypten geändert. Bevor sie der Gruppe beigetreten ist, habe sie keine einzige ägyptische Freundin gehabt. Das habe sich jetzt vollkommen gewandelt.
Bestehende Vereine werden von Jungen gemieden
Von den anderen ägyptischen Vereinen, wie der Ägyptischen Union oder dem Ägyptischen Verein, fühlen sich die drei Jugendlichen nicht vertreten: "Der Ägyptische Club und die anderen Vereine, die stehen für die ältere Generation, da ist fast keine Jugendaktivität vorhanden", sagt Rehem .
"Einmal waren wir alle in der ägyptischen Botschaft eingeladen", erzählt Hammad, "Die Älteren haben sich fast den Kopf eingeschlagen, weil sie unterschiedlicher Meinung waren. Und wir, die Jüngeren, sind dagesessen und haben wie Moderatoren geredet. Da habe ich mir gedacht: Das sind Männer in Anzügen und sie reden wie im Kindergarten. Das war für mich so ein Kontrast."
Auch das Verhältnis zur Botschaft ist kein einfaches. Morsy Abu-Youssef leitet die Kulturabteilung der ägyptischen Botschaft und hat die ägyptischen Filmtage "Behind the Revolution" organisiert. "Die jüngere Generation will weder zum Club noch zum Verein gehen. Sie haben am Anfang auch die Botschaft gehasst, weil sie für sie für das alte System gestanden ist." Das würde sich aber nun langsam ändern.
Bei einigen Veranstaltungen haben die Botschaft und der Verein schon zusammengearbeitet. Auch für Morsy Abu-Youssef hat sich persönlich und emotionell viel geändert seit dem letzten Jänner: "Vorher habe ich nur Themen bearbeitet, die Ägypten und Österreich betroffen haben. Jetzt setzte ich mich für ein Ägypten nach der Revolution ein."