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In Washington fragt man sich, wie Syriens Opposition zu mehr Macht verholfen werden kann - ohne Militärintervention und ohne religiös motivierte Massaker im Land.
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Während die US-Regierung gerade die Unterstützung für einen Regimewechsel in Syrien verstärkt, bewegt sich der Arabische Frühling auf seine möglicherweise heißeste Phase zu. Die Frage dabei ist, wie der syrischen Opposition geholfen werden kann, mehr Macht zu gewinnen - ohne ausländische Militärintervention und ohne religiös motivierte Massaker im Land auszulösen.
Seit den ersten anhaltenden Protesten in Syrien hatte US-Präsident Barack Obama gewartet, ob Bashar al-Assad beginnen würde, seine Reformversprechen einzulösen. Vorige Woche hat die US-Regierung das Warten aufgegeben und die Weichen neu gestellt: Die Arbeit am Übergang zu einer neuen demokratischen Regierungsform hat begonnen. Das Signal für den Richtungswechsel kam von US-Außenministerin Hillary Clinton, die am 11. Juli unverblümt sagte, Assad habe seine Legitimität verloren. Für die Reformer innerhalb des syrischen Regimes ließ sie die Tür einen Spalt offen.
"Das Assad-Schiff sinkt", brachte es ein US-Regierungsbeamter auf den Punkt: "Am wichtigsten ist, das den Menschen klarzumachen, damit sie - hoffentlich - das Schiff verlassen und ins Rettungsboot steigen." Für die USA bedeute das, mit syrischen Dissidenten und auch mit der Türkei und anderen regionalen Mächten, die den Wandel vermitteln helfen können, zusammenzuarbeiten.
Die US-Regierung will Syriens Opposition dabei unterstützen, sich zusammenzuschließen, ein klares Programm zu entwickeln und eine Regierung aus Vertretern aller Bevölkerungsgruppen zu bilden. Und die Opposition hofft ihrerseits, mit Unterstützung der USA eine mehrwöchige Konferenz in Syrien abhalten zu können, um sich auf ein gemeinsames Programm zu einigen. Schon vorige Woche war ein solches Treffen geplant, es wurde aber von den syrischen Behörden verhindert.
Radwan Ziadeh, Gastprofessor an der George Washington University, hat einen Plan für die syrische Opposition skizziert. Er steht in Verbindung mit möglichen Teilnehmern an dem Treffen, unter ihnen finden sich neben Vertretern von Minderheiten auch Menschenrechtsaktivisten. Ziel sind laut Ziadeh eine solide Führung für das Land und der Entwurf einer neuen Damaskus-Deklaration.
Geprägt ist die syrische Gleichung von zwei unberechenbaren Faktoren. Erstens steht die Frage im Raum, ob sich die Armee aufspalten wird - einflussreiche Offiziere bewegen sich weg vom Regime. Ein Vorbote dazu tauchte zum Wochenende auf, als sich abtrünnige Soldaten in der Stadt Abu Kamal im Osten Syriens versammelten. Regierungspanzer schlossen die Protestierenden ein und ein Gemetzel schien unvermeidlich, bis lokale Stammesführer einen Waffenstillstand aushandelten. US-Geheimdienstanalysten erwarten mehr Überläufer aus der Armee, wenn der Druck auf Assad steigt.
Die zweite Unwägbarkeit ist religiös motivierte Gewalt zwischen regimekritischen Sunniten und der regierenden alawitischen Minderheit. Die jüngste Warnung erfolgte Anfang der Woche, als bei ethnischen Auseinandersetzungen in Homs laut US-Schätzungen 15 bis 30 Syrer getötet wurden. "Wirklich beunruhigend" nannte ein US-Regierungsbeamter diese Berichte.
Viel steht in Syrien auf dem Spiel, da Assad sich immer stärker mit dem strikt antiwestlichen Regime im Iran verbündet. Fällt Assad, wissen die Iraner, dass sie die Nächsten sind. In Washington trachtet man daher, zur Post-Assad-Ära zu gelangen, schnell und friedlich.
Übersetzung: Redaktion
Der Autor war Chefredakteur der "International Herald Tribune". Seine Kolumne erscheint auch in der "Washington Post".