Der heutige "Internationale Tag der Menschen mit Behinderung" liefert Anlass zum Grübeln: Immer noch sind behinderte Menschen oft nicht so in die Gesellschaft integriert, wie es wünschenswert wäre. Umso schlimmer, dass die Werkstatt des Österreichischen Blinden- und Sehbehindertenverbandes (ÖBSV) gerade jetzt Mitarbeiter kündigen muss. Die "Wiener Zeitung" hat mit Vertretern des Verbandes über die missliche wirtschaftliche Lage gesprochen.
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Der Österreichische Blindenverband, 1946 gegründet, ist eine private Organisation, die sich großteils aus Spendengeldern finanziert. Wie auch die anderen sechs Landesgruppen bietet die Landesgruppe "Wien, Niederösterreich, Burgenland" blinden und sehbehinderten Menschen Unterstützung, Freizeit- und Arbeitsmöglichkeiten an. Für einen Beitrag von 40 Euro jährlich stehen im Louis Braille Haus in Wien Penzing - benannt nach dem Erfinder der Blindenschrift - Mitgliedern Sprach- und Sportkurse und Unterhaltungsmöglichkeiten offen. Zusätzlich gibt es ein Trainingsprogramm für den besseren Umgang mit dem Alltag und die Möglichkeit psychologischer und ärztlicher Betreuung.
Arbeitsmöglichkeiten
Wie auch das Massageinstitut, das gut ausgebildete blinde Fachkräfte beschäftigt, ist die Werkstätte zur Herstellung hochwertiger Korb- und Bürstenwaren ein fixer Bestandteil des Wiener Hauses. Dort waren einmal 25 blinde Mitarbeiter beschäftigt, meint der Obmann der Landesgruppe, Alfred Zorn, heute seien es nur noch 18. Schon seit Jahren habe man immer wieder Großkunden - unter ihnen das Österreichische Bundesheer - verloren, dazu käme eine starke deutsche Konkurrenz. Zuschüsse vom Staat bekäme man nur äußerst punktuell, klagt Zorn. Er ist selbst seit seiner Kindheit vollblind - "für mich ist das aber längst kein Problem mehr".
Barrieren überwinden
Als Sehender kann man sich die Welt eines Blinden nur sehr schwer vorstellen. Auch Zorn bestätigt gegenüber der "Wiener Zeitung", dass eine plötzliche Erblindung oft zu schweren psychischen Problemen bis hin zu Selbstmordgedanken führt. Dennoch habe sich die Situation der Blinden in den letzten 50 Jahren um einiges verbessert. Vor allem durch Computer mit Sprachfunktion und Braille-Zeile sei es heute vielen Blinden möglich zu studieren. Städtebaulich wird zwar ebenfalls viel für die Blinden getan, dennoch gibt es immer wieder Barrieren: Schlecht gesicherte Baustellen erhöhten das Unfallrisiko, und Preisschilder in Supermärkten seien für Sehbehinderte oft zu klein gedruckt, weiß auch Martin Tree vom ÖBSV.
Selbständigkeit
Das Louis-Braille-Haus versucht vor allem, Blinde und Sehbehinderte so gut wie möglich in die Gesellschaft zu integrieren. Für schwierige Situationen - etwa bei plötzlicher Erblindung - stehen zwar Übergangswohnungen zur Verfügung, langfristig soll den Blinden aber ermöglicht werden, sich in ihrer gewohnten Umgebung selbständig zurecht zu finden. Mit Hilfe der Werkstätte kann Blinden eine normale Arbeitsstelle geboten werden, der ÖBSV befürchtet jedoch die endgültige Schließung im nächsten Jahr. Damit würden 18 Sehbehinderte "ihrer Arbeit beraubt", meint Zorn resigniert.