WM war Highlight des Fußball-Jahres. | Österreichs Top-Klubs in der Krise. | Nationalteam am Weg zur Euro 2008. | Wien. Was war das nicht für ein herrliches Fest, als sich im Sommer Tausendschaften mit schwarz-rot-goldenen Staubwedeln auf dem Kopf und dementsprechenden Farben im Gesicht durch deutsche Städte schoben, um sich gemeinsam vor großen Leinwänden dem Fußball, der Hitze und dem Bier gänzlich hinzugeben.
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Man nannte es Fanmeile und war überrascht, dass Deutschland, der WM-Ausrichter, so etwas ähnliches wie Gastfreundschaft zustande brachte. Sportlich freilich blieb die Weltmeisterschaft einiges schuldig, beispielsweise Tore. Die Defensive war Trumpf, und also gewann Italien zum vierten Mal die begehrte Trophäe, was Frankreichs Jetzt-schon-Legende Zinedine Zidane einen denkwürdigen Kopfstoß wert war.
Doch nicht nur in Deutschland wurde während der WM gefeiert, die Euphorie schwappte über die Landesgrenzen hinweg. Und so wurde auch in Wien, Graz und Bad Sauerbrunn dem weltmeisterlichen Kick gefrönt.
Österreichs Fußballer weilten indessen auf Urlaub, um sich von einer langen, enttäuschenden Saison zu erholen. Damals ahnte wohl noch keiner von ihnen, welche Katastrophen auf den heimischen Fußball zukommen sollten.
Dabei startete die heimische Meisterschaft mit einer echten Sensation. Denn die sperrangelweit offene Geldbörse von Salzburgs Besitzer Dietrich Mateschitz lockte die beiden Weltstars Giovanni Trapattoni und Lothar Matthäus samt einigen Kickern internationalen Formats in die Festspielstadt.
Frank Stronach, nicht minder millionenschwer, entschloss sich hingegen, einen gegensätzlichen Weg zu gehen und verkaufte der Austria trotz Meistertitels und Cupsiegs einen Spielträger nach dem anderen. Damit setzte der oberste Magnarianer in Gang, was schließlich zum letzten Tabellenplatz zur Winterpause führte.
Mattersburg überrascht
Neidvollen Blickes mussten die in schwere Krisen gerutschten Wiener Klubs gen Süden schauen, wo Mattersburg mit weitaus bescheideneren Mitteln den Traditionsvereinen einige Lektionen in Sachen Kontinuität und seriösem Arbeiten gab und das Halbjahr auf Rang zwei hinter Salzburg beschloss.
So kurios die Herbstsaison auch verlief, hatte sie doch eine ernstzunehmende Tendenz offenbart. Nach einigen Jahren des langsamen, aber doch vernehmbaren Aufwärtstrends sank das generelle Leistungsniveau deutlich. Der von vielen beschworene "österreichische Weg", der freilich nichts anderes als ein Euphemismus für "Sparkurs" ist, sorgte nicht nur bei der Austria für Probleme, auch die Grazer Vereine GAK und Sturm stehen im Abstiegskampf. Und das gleich in doppelter Hinsicht.
Sturm geht das Geld aus
Denn die Erfolge vergangener Jahre waren teuer erkauft worden. Bereits im Sommer erhielten die beiden Klubs die Lizenz erst im zweiten Anlauf, Sturm ging aber schon nach wenigen Monaten die Luft aus. Die Ära von Hannes Kartnig endete im November mit dem Konkurs des Traditionsvereins, dessen Zukunft sich erst im Jänner entscheiden wird (siehe Kasten).
Wieder einmal scheiterte ein Klub an der Großmannssucht und dem Missmanagement einzelner Personen. Auch die Pleite des FC Tirol sechs Jahre zuvor war durch völlig überzogene Risiken der Klubverantwortlichen entstanden. Die Wiener Austria ist von einer finanziellen Pleite zwar (noch) weit entfernt, doch die Stronachsche One-Man-Show führte auch bei den Wiener Violetten an den angestrebten Zielen vorbei.
Nicht zuletzt deshalb plant der Verein nun, die Agenden der Kampfmannschaft in eine Aktiengesellschaft auszugliedern. In dieser soll ein Aufsichtsrat die Richtung vorgeben, und die Verantwortung damit auf mehrere Schultern verteilt werden.
National-Elf in der Kritik
Die Probleme auf Klubebene ließen die Nationalmannschaft nicht unberührt. Auf den ersten Sieg unter dem neuen Teamchef Josef Hickersberger musste man bis zum Herbst warten, mit einem 2:1 gegen Liechtenstein fiel dieser obendrein nicht gerade berauschend aus.
Nach Siegen über die WM-Teilnehmer Schweiz (2:1) und Trinidad und Tobago (4:1) gab es zwar noch einen versöhnlichen Ausklang, doch das Jahr 2006 hinterließ deutliche Spuren im heimischen Fußball.
Verantwortlich dafür waren aber nicht nur die schwachen Resultate, in erster Linie war es die herbe und vor allem öffentlich geäußerte Kritik der beiden England-Legionäre Emanuel Pogatetz und Paul Scharner, die dem Österreichischen Fußball-Bund (ÖFB) Unprofessionalität vorwarfen.
Die beiden Spieler bezahlten ihre Kritik mit dem Rauswurf aus der Nationalmannschaft, einige ihrer Forderungen wurden hingegen etwas später umgesetzt. Zwei Mental betreuer und ein britischer Fitness-Coach verstärken seitdem das Betreuerteam von Trainer Josef Hickersberger.
Bereits die WM zeigte überdeutlich, dass die Zeiten, als der Trainer seinen Assistenten vorwiegend mit dem Austeilen der Übungsleibchen beschäftigte, vorbei sind. Deutschlands Teamchef Jürgen Klinsmann etablierte zeitgemäße, vor allem aber spezialisierte Trainingsmethoden, weshalb er, als Revoluzzer apostrophiert, zuerst angefeindet, nach dem dritten WM-Platz dann jedoch überschwänglich gefeiert wurde.
EM rückt immer näher
Mit der Aufstockung des Trainerstabs hat sich auch der heimische Fußball-Verband nach Jahrzehnten der Nicht-Entwicklung moderner Trainingswissenschaft bedient. Und dies ist angesichts der anstehenden Aufgaben nur allzu notwendig, schließlich beginnt in etwas mehr als 500 Tagen die Heim-EM.
Wie sich Hickersbergers Elf dann schlagen wird, ist freilich ungewiss. Nur, dass die Fanmeilen wieder aus allen Nähten platzen werden, ist sicher.