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Auf dem Weg vom Bundes- zum Zentralstaat

Von Gottfried Kneifel

Gastkommentare
Gottfried Kneifel war Präsident des Bundesrates und ist Geschäftsführer der Initiative Wirtschaftsstandort Oberösterreich.
© Parlamentsdirektion / Photo Simonis

Von 73 Bundesbehörden oder -agenturen und gesamtstaatlichen Institutionen befinden sich 69 in Wien.


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Ein neuer Schwung zur Regionalisierung und zur Aufwertung des ländlichen Raumes in Österreich ist nötig. Ein Blick zurück in die Konzepte und Pläne für Regionalisierung und Dezentralisierung beweist das. So fällt auch die Bilanz des Managementplanes für den ländlichen Raum zur Halbzeit der Gesetzgebungsperiode eher dürftig aus.

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Von 73 Bundesbehörden oder -agenturen und gesamtstaatlichen Institutionen befinden sich 69 in Wien. Zum Vergleich sind in Deutschland 68 Bundesdienststellen auf 25 verschiedene Städte aufgeteilt. So wurde jüngst die neue Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt in Neustrelitz (Mecklenburg-Vorpommern) angesiedelt.

Im Gegensatz dazu hat ein Gesetzesentwurf des österreichischen Bundesrates mit dem Ziel, bei der Gründung einer neuen Bundesstelle auch Standorte in den Bundesländern zu prüfen, nicht einmal den Nationalrat erreicht.

Die zentralisierte Österreichische Gesundheitskasse, die Digitalisierungsagentur des Bundes, das Bundesamt für Steuerbetrugsbekämpfung und die Asylagentur haben alle ihren Sitz in Wien.

Wenn es um die Bevorzugung von Wien bei der Einrichtung neuer Bundesagenturen geht, ziehen alle Parteien an einem Strang. Auf der Strecke bleibt dabei der ländliche Raum, weil mit der Gründung jeder Bundesdienststelle auch hochwertige Arbeitsplätze und zusätzliche Wertschöpfung - entgegen den Ankündigungen in den Regierungsprogrammen - neuerlich in der Hauptstadt Wien geschaffen werden. Diese Praxis ist mit ein Grund dafür, dass alleine aus dem Bundesland Oberösterreich in den vergangenen zehn Jahren mehr als 18.000 junge Menschen - nicht nur aus Studiengründen, sondern dauerhaft - in den Osten nach Wien übersiedelt sind, weil sich ihnen unter anderem im öffentlichen Sektor mehr berufliche Chancen bieten.

Auf der anderen Seite haben noch gut 25 Prozent der oberösterreichischen Gemeinden laut Statistik Austria einen mehr oder weniger starken Bevölkerungsrückgang zu verzeichnen. Viele kleine und mittlere Gemeinden sind mit Problemen wie Ärztemangel, fehlender Digitalisierung, Mängeln bei Kinderbetreuung, Infrastruktur, Schulerhaltung, Pflege- und Sozialdiensten, Vereinsförderung etc. überfordert, während die Menschen in der Stadt Wien und in anderen urbanen Zentren bei Kultur-, Bildungs- und Sportstätten sowie in anderen Bereichen der Daseinsvorsorge aus dem Vollen schöpfen können. Paradoxerweise ist sogar der Sitz der Bundesanstalt für Agrarwirtschaft und Bergbauernfragen im 3. Bezirk in Wien. Eine rühmliche Ausnahme ist die bevorstehende Gründung der neuen Technischen Universität in Linz, die postwendend von Wiener Universitätskreisen als völlig unnötig bezeichnet wurde.

Es ist Zeit, den Masterplan der Bundesregierung mit dem konkreten Ziel umzusetzen und mindestens 10 Prozent der Bundesbehörden in den ländlichen Raum zu verlagern. So könnte zumindest ansatzweise auch Artikel 2 des Bundesverfassungsgesetzes erfüllt werden: "Österreich ist ein Bundesstaat."