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Auf dem Weg zum fahrerlosen Auto

Von Andrea Möchel

Wirtschaft

Digitale Vernetzung von Fahrzeugen stellt Autohersteller vor Herausforderungen und ebnet den Weg zum Auto ohne Lenker.


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Wien. Die Autos der Zukunft werden per App den nächsten freien Parkplatz finden, über eine Anzeige im Cockpit lästige Baustellen lokalisieren und durch Ampelanlagen über die optimale Geschwindigkeit für die grüne Welle informiert werden. Die Kommunikationsgenies auf vier Rädern werden aber nicht nur mit der Verkehrs-Infrastruktur Daten austauschen (Car-to-X-Kommunikation), auch die Car-to-Car-Kommunikation wird den Verkehrsteilnehmern Vorteile bringen. Auf der Technikmesse CES in Las Vegas hat der deutsche Autokonzern Daimler am Dienstag seine Vision für ein selbstfahrendes Auto der Zukunft vorgestellt. Der Daimler-Konkurrent Audi ließ einen Wagen autonom rund 900 Kilometer aus dem Silicon Valley nach Las Vegas fahren.

Schon jetzt funken manche Modelle, sobald sie auf der Autobahn zum Stehen kommen, den lästigen Stau an einen Server, der die Warnung in die Navis anderer Autos in der Nähe schickt. Das vernetzte Auto macht so den Straßenverkehr nicht nur flüssiger, sondern auch sicherer - und verändert ganz "nebenbei" die gesamte Automobilbranche. "Der weltweite Automarkt steht vor einer fundamentalen Neuordnung. Auslöser für die Verschiebung der Marktgewichte ist die zunehmende Vernetzung der Fahrzeuge und die damit einhergehende steigende Nachfrage der Kunden nach Connectivity-Angeboten", so der Befund der Branchenstudie "Connected Cars" des Unternehmensberaters McKinsey & Company.

Laut der Studie, für die 2000 Autokäufer in Deutschland, den USA, Brasilien und China sowie Automobilhersteller, Zulieferer und Telekommunikationsfirmen befragt wurden, ist ein Neufahrzeug ohne Internetzugang bereits für 13 Prozent der Käufer ein absolutes No-Go. "Car Connectivity hat das Potenzial, die Automobilbranche entlang aller Ertragsquellen stark zu verändern", ist Detlev Mohr, Leiter der europäischen Automobilberatung von McKinsey, überzeugt. Mohr geht davon aus, dass der Umsatz mit Connectivity-Funktionen bis 2020 von 30 Milliarden Euro auf mehr als 200 Milliarden Euro steigen wird.

Bereit zum Markenwechsel

"Beim Autokauf spielen Angebote wie Echtzeit-Wartungsinformationen, ortsbasierte Empfehlungen, dynamische Stauprognosen oder Musikstreaming eine zunehmend wichtige Rolle", erklärt Mohr. Demnach würden 20 Prozent der Kunden die Automarke wechseln, wenn sie dadurch an bessere Connectivity-Angebote gelangen. Unter den Vielfahrern, die mehr als 20 Stunden pro Woche im Auto verbringen, beträgt dieser Anteil sogar 40 Prozent. "Die potenzielle Verschiebung von Marktanteilen zwischen den Autoherstellern ist damit eine der zentralen Auswirkungen von Connected Cars", sagt Mohr. Maßgeblich beeinflusst seien auch die Bereiche Wartung und Versicherung - etwa durch Wartungsempfehlungen per App. So könnten Hersteller Daten zum Zustand der Fahrzeuge nutzen, um ihren Anteil am Wartungs- und Reparaturmarkt zu erhöhen, indem sie die Kundenbindung stärken.

23 Prozent der befragten Autokäufer würden der Wartungs- oder Reparaturempfehlung einer App folgen und eine Vertragswerkstatt aufsuchen. Zudem könnten Informationen über das Fahrverhalten das Versicherungsgeschäft verändern: 35 Prozent der Fahrer wären bereit, Daten für Versicherungen freizugeben, würde das mit einem Rabatt von zehn Prozent auf ihre Versicherungsprämie belohnt werden.

Kampf um die Führungsrolle

"Die Autohersteller müssen allerdings aufpassen, dass sie die Hoheit über die digitale Revolution nicht den Internetunternehmen überlassen", warnt Dominik Wee, der bei McKinsey für Connected Cars verantwortlich ist. Unternehmen aus dem Software- oder Telekomsektor drängen bereits in den Markt und bieten ihre Dienstleistungen, zum Beispiel Navigationssoftware, oft günstiger, teilweise sogar kostenlos an. Das kommt den Kundenbedürfnissen entgegen, denn viele Autokäufer sind nicht bereit, für zusätzliche Services einen Aufpreis zu bezahlen: Daher sei es für Automobilhersteller entscheidend, so die Studie, an folgenden drei kritischen Punkten die Kontrolle zu bewahren:

HMI (Human Machine Interface): Die integrierte Bedienung der Dienste und Apps im Auto ist ein Alleinstellungsmerkmal der Automobilhersteller. Neue Technologien wie beispielsweise Projektionen auf Windschutzscheiben, die diese Vernetzung komfortabel und sicher gestalten, bieten Herstellern die Möglichkeit, ihre Wettbewerbsfähigkeit in diesem Bereich zu behaupten.

Echtzeit-Fahrzeugdaten: Anonymisierte Daten zu Zustand und Nutzung des Fahrzeugs sind Grundlage für Versicherungs- und Wartungsleistungen, aber auch vieler anderer Dienste. Da sich viele Kunden um die Datensicherheit sorgen, sei auch dies ein entscheidender Kontrollpunkt.

Geoinformationen in Echtzeit: Aktuelle Daten zur Verkehrslage, Warnung vor Glatteis und ortsspezifische Dienste können nur über Echtzeit-Geoinformationen angeboten werden. Gemeinsam mit Sensordaten im Fahrzeug bilden diese die Voraussetzung für autonomes Fahren. Vernetzte Autos, die in den nächsten Jahren auf den Markt kommen, ebnen damit den Weg zum fahrerlosen Fahrzeug. Tatsächlich hat autonomes Fahren längst den Status der Utopie verlassen. Experten sind sich einig, dass die Zukunft der Mobilität im hochautomatisierten Fahren liegt. Schon in wenigen Jahren werden Autos unter anderem in der Lage sein, sich bei höheren Geschwindigkeiten auf der Autobahn ohne Eingreifen eines Lenkers zu bewegen. "Wir betrachten (halb-)autonomes Fahren als natürliche Evolution der Connected Cars", steht für die McKinsey-Experten fest. "Das wird die nächste Welle in der Entwicklung der Automobilindustrie."