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Auf dem Weg zum virtuellen Protest: Aktivisten haben vorerst Erfolg

Von Bernhard Baumgartner

Analysen

Wer im Norden Wiens wohnt, spürt die Argumente, warum der Autobahnring um Wien gebaut werden muss, am eigenen Leib. Und zwar täglich: Stau auf der Tangente, Stau auf der Nordbrücke, Stau auf der Donauuferautobahn, Stau bei Süßenbrunn, Hirschstetten und Breitenlee. Tag für Tag stehen dort mehrere zehntausend Autofahrer im Stau. Das kostet nicht nur (Arbeits-)zeit, sondern belastet die Umwelt. Das Auto, das mit laufendem Motor steht, ist wohl das Schädlichste.


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Auf der anderen Seite haben die Umweltschützer mit ihrer Blockade der Lobau einen Etappensieg errungen: Die Probebohrungen für den Autobahntunnel sind vorerst gescheitert. Eineinhalb Dutzend Aktivisten haben es geschafft, drei Bohrungen zu verhindern, das sind sechs Aktivisten pro Bohrloch. Das war möglich, weil weder Polizei noch Asfinag bereit waren, einzugreifen - sonst wäre ein Beginn der Bohrungen schon alleine aufgrund der geringen Anzahl der Gegner kein Thema gewesen.

Die Entscheidung, nicht einzugreifen, ist freilich eine politische. Das Motiv ist eindeutig: Man möchte ein Aufschaukeln zu einem zweiten Hainburg verhindern. Bilder von weggezerrten Demonstranten würden die Proteste noch zuspitzen, möglicherweise würden etliche Leute aktiviert, sich zu den Umweltschützern in der Lobau zu gesellen, die sonst gar nicht auf die Idee gekommen wären. Denn in der derzeitigen Form sind das Proteste im Miniatur-Format. Kaum an die hundert Aktivisten, schon bei Beginn der Blockade zu Allerheiligen. Vier Wochen später nur mehr ein Häufchen - der Widerstand gerät immer mehr zum virtuellen Protest.

Die Politik des "um keinen Preis eskalieren Lassens" freilich macht den Erfolg dennoch möglich: Im Extremfall reicht auch ein Demonstrant, um eine Bohrung zu verhindern - wenn man ihn nicht mit sanftem Druck zum Weggehen bewegen darf.

Dass diese Politik des Aufschiebens, um die Proteste auszusitzen, jedoch seine Grenzen hat, sieht man bei anderen Projekten. Etwa die Rodung der Bäume vor dem Praterstadion (aus Sicherheitsgründen, für die EM). Auch dort haben wenige Aktivisten die Arbeiten bislang verhindert. Das selbe Muster bei den Protesten um die Garage Bacherpark: Diese wird nicht gebaut, weil ein paar Anrainer hartnäckig (und laut) genug waren. Auch hier: Erst wurde das Projekt verschoben, dann sterben gelassen.

Will man, dass es mit dem Lobau-Tunnel nicht auch so geht, wird man sich demnächst entscheiden müssen, ob man die Arbeiten zügig durchzieht (und dabei tut, was in einem Rechtsstaat dafür vorgesehen ist) oder ob man ein Projekt, das für die Stadt unumgänglich ist, weiter auf die lange Bank schiebt und schließlich einsargt. Politik kann es selten allen Recht machen - es gibt eben nicht nur Win-Win-Konstellationen. Aber wenn man den täglichen Stau als Demo für eine Verbesserung der Infrastruktur sieht, treten die Relationen klar ans Licht. Seite 13