Paris - Jacques Chirac hat es wieder einmal geschafft. Als schwacher Präsident, dem die Justiz wegen Korruptionsaffären auf den Fersen ist, startete der 69-jährige Neogaullist in den Wahlkampf. Als "Retter der Republik" gegen den Rechtsextremisten Jean-Marie Le Pen wurde er am Sonntag mit dem besten Ergebnis aller Präsidenten der 1958 gegründeten Fünften Republik für fünf Jahre in seinem Amt bestätigt. 2007 wird Chirac zwölf Jahre Staatsoberhaupt gewesen sein, länger als Republikgründer Charles de Gaulle. Nur der Sozialist Francois Mitterrand residierte länger im Elysee-Palast, nämlich 14 Jahre von 1981 bis 1995.
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Chirac gehört zum politischen Urgestein Frankreichs. Der Absolvent der Eliteschule ENA begann seinen Aufstieg vor vier Jahrzehnten als Mitarbeiter von Georges Pompidou. Er war mehrfach Minister, zwei Mal Premierminister (1974 bis 1976 und 1986 bis 1988) und schaffte nach der Niederlage gegen Mitterrand (1988) 1995 den Sprung an die Spitze des Staates.
Basis seiner Macht ist die von ihm gegründete neogaullistische Partei RPR. 18 Jahre lang war Chirac zudem Bürgermeister von Paris. Aus dieser Zeit holen ihn immer wieder Schmiergeldskandale ein. Die RPR soll nach Erkenntnissen der Ermittler systematisch Schmiergelder für die Vergabe öffentlicher Aufträge kassiert haben. Die Justiz prüft auch, ob Bargeld in Millionenhöhe, mit denen der damalige Parteichef Privatreisen bezahlte, aus dieser Quelle stammt. Nur sein Präsidentenamt schützt Chirac vor den Nachstellungen der Justiz.
Als Sammlungsfigur gegen Le Pen konnte Chirac davon profitieren, dass er als führender Politiker der gemäßigten Rechten stets jedes Bündnis mit der Nationalen Front abgelehnt hat. Das brachte ihm die unverhohlene Feindschaft Le Pens ein. Seine Gegner werfen Chirac aber Mitverantwortung für das gute Abschneiden des Rechtsradikalen vor, weil er im Wahlkampf ganz auf das Thema Kriminalität setzte.
Der alte und neue Präsident hat ein Glaubwürdigkeitsproblem, weil bei ihm zwischen Worten und Taten oft eine große Lücke klafft. Kritiker werfen ihm Opportunismus vor, und die meisten Franzosen nehmen seine Wahlversprechen wie Steuersenkungen von 30 Milliarden Euro schon gar nicht mehr für bare Münze.
"Denken, das heißt für ihn zunächst: Denken, was die anderen denken", sagte der Chirac wohlgesonnene Gaullist Edgar Faure über ihn. "Versprechungen verpflichten nur jene, denen sie gemacht werden", soll Chirac selbst einmal gesagt haben. Eine beliebte Fernsehsatiresendung verspottete den Präsidenten im Superman-Kostüm als "Superlügner". Die Bilanz seiner ersten Amtszeit ist dürftig. Wenige Monate nach seiner Wahl 1995 legten Streiks im öffentlichen Dienst das Land wochenlang lahm. Zwei Jahre später löste er in fataler Fehleinschätzung der Wählerstimmung die Nationalversammlung vorzeitig auf und musste die Innenpolitik anschließend der Linksregierung von Lionel Jospin überlassen.
Chirac ist seit 1956 mit der Adeligen Bernadette Chodron de Courcel verheiratet. Tochter Claude ist seine wichtige Beraterin in Imagefragen und für Öffentlichkeitsarbeit.