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Auf den Spuren der EU in Wien

Von Alexandra Laubner

Politik
Der Europaplatz ist einer der meistfrequentierten Verkehrsknoten Wiens.
© Stanislav Kogiku

Was wissen die Wiener über die EU und die Spitzenkandidaten für die Wahl? Ein Lokalaugenschein.


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Wien. Gegensätzlicher könnte es nicht sein. Der Europaplatz vor dem Westbahnhof und das Café Europa. Einer der meistfrequentierten Verkehrsknoten Wiens, wo bereits Anfang der 1990er Jahre 90.000 Autos und 110.000 Fußgänger gezählt wurden und der am 21. Mai 1958 "einem Appell des Europarates folgend und als Bekenntnis zur Idee Europas" Europaplatz benannt wird. Und schließlich die Mutter aller Hipster-Lokale - das Café Europa in der Zollergasse.

Auf der einen Seite Rudolfsheim-Fünfhaus, wo die Wahlbeteiligung bei der vergangenen EU-Wahl 2014 mit 39 Prozent unter dem österreichweiten Durchschnitt (45 Prozent) lag. Auf der anderen Seite Neubau mit einer Wahlbeteiligung von mehr als 54 Prozent. Der Duft von Bratwürsteln, Männer und Frauen, die mit einer Bierdose in der Hand auf dem Platz verweilen, versus Latte Macchiato, hausgemachte Limonade aus Rosenblüte und und Lounge-Musik. Nur einen Kilometer entfernt, aber eine andere Welt.

Kandidaten unbekannt

"Alle Politiker sind falsch", kommentiert ein junger Bursche, der sich mit seiner Freundin um zehn Uhr morgens einen Hotdog am Schnellimbiss am Europaplatz bestellt. Sie stimmt ihm mit einem Nicken zu. Mehr gebe es über die EU nicht zu sagen. Redseliger ist ein Herr, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchten. "Die EU ist ein korrupter Verein." Was wissen Sie über die EU? "Ich weiß alles, weil es mich interessiert. Ich lese alles darüber und schaue mir alle TV-Diskussionen an. Ich war nie für die EU. Ich habe gegen den Beitritt gestimmt", erzählt er. Die EU stürze sich ins Unglück. "Wir dürfen nichts mehr entscheiden, alles geben sie uns vor, sogar wie wir unsere Schnitzerl essen sollen. Was soll das?"

Wichtig sei, die Eigenständigkeit im eigenen Land zu erhalten. "Ich brauche nicht ohne Reisepass zu reisen. Ob ich jetzt zwei Minuten früher oder später über die Grenze komme, ist doch egal." Werden Sie an der EU-Wahl teilnehmen? "Ausnahmsweise ja. Ich sage auch, wen ich wählen werde. Ich wähle die Blauen. Ich war lange genug Sozialist, aber richtiger Sozialist. Aber ich habe gemerkt, dass die nichts machen können. Wenn die sagen, wir brauchen einen Staat wie Amerika, ist das doch idiotisch."

Einen schweren Stand hat die EU auch, wenn es um die Bekanntheit der Spitzenkandidaten für die Wahl geht, etwa um den der Europäischen Volkspartei nominierte Manfred Weber, der nächster EU-Kommissionspräsidenten werden soll.

"Weber?" Kopfschütteln, fragender Blick. "Nein von Weber habe ich noch nichts gehört", meinen zwei junge Frauen - die eine ist Maturantin, die andere angehende Kindergartenpädagogin.

Das ist kein Einzelfall. Laut einer Umfrage der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik, die am 15. Mai veröffentlicht wurde, halten die Österreicher die EU-Wahlen zwar für wichtig, die Europäische Spitzenkandidaten sind jedoch wenig bekannt. Fast vier von zehn Österreicher kennen die Favoriten - Weber und den von den Europäischen Sozialdemokraten aufgestellten Frans Timmermans - nicht.

Schauplatzwechsel ins 15 Minuten Fußmarsch entfernte Café Europa. Nur fünf Sitzplätze sind an diesem Vormittag besetzt. Ein eher seltenes Bild. "Wie die EU funktioniert? Da kenne ich mich nicht so gut aus", sagt eine gebürtige Engländerin, die in Wien lebt. Auch die europäischen Spitzenkandidaten sind ihr nicht geläufig. "Ich als Engländerin habe natürlich momentan einen ganz anderen Blickwinkel. Der Brexit ist für uns ein wenig peinlich, weil es unprofessionell wirkt. Ich finde es sehr schade, dass wir vermutlich austreten werden. Ich bin gerne Teil der Europäischen Union. Es gibt sehr viele Vorteile - beruflich, privat und reisetechnisch."

"Das ist mir zu konfus"

"Die Abstimmungen funktionieren anders als bei uns im Parlament", sagt eine andere junge Frau. "Ich kann mich gut erinnern, als Österreich der EU beigetreten ist. Ich war damals ein Kind und ich weiß noch ganz genau, dass ich mir vorgestellt habe, dass es in den Supermärkten dann zwei Regale mehr an Joghurts geben werde. Und ich habe mich darauf total gefreut. Aber es war natürlich nicht so", erinnert sie sich. Als größten Vorteil sieht sie die Bewegungsfreiheit. "Meine Mutter ist deutsche Staatsbürgerin und als wir in Deutschland auf Besuch waren und ich kein Visum hatte, wollten sie mich nicht einreisen lassen." Das sei heute undenkbar. Gehen Sie wählen? "Ja." "Ich würde wählen gehen, wenn ich könnte", hakt die gebürtige Engländerin ein.

Agim ist seit langem wieder einmal im Café Europa. "Die Europäische Union hat viele Probleme, was die Wirtschaft betrifft. Die Rechten nutzen das aus und versuchen, damit politisches Kleingeld zu schlagen." Haben Sie sich mit den Spitzenkandidaten auseinandergesetzt? "Nein, das ist mir alles zu konfus."