Protestaktion in Athen gegen die Einführung der Sparmaßnahmen. | Beteiligung blieb hinter Erwartungen. | Athen. "Das öffentliche Eigentum gehört gar nicht der Regierung, sondern den Menschen hier", kommentiert Thanassis die Forderung von EU und Internationalem Währungsfonds (IWF), Griechenland solle zur Deckung seiner Schulden in den nächsten Jahren 50 Milliarden Euro durch den Verkauf von Staatseigentum einnehmen. | Analyse: Zwei unangenehme Wahrheiten - für Deutschland und für Griechenland
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Zusammen mit seinen Kollegen steht der Mittvierziger hinter einem Transparent des Betriebsrates seines Unternehmens, des staatlichen Rüstungsunternehmens Pyrkal. Der 24-stündige Generalstreik der griechischen Gewerkschaften gegen die von der Regierung im Zusammenspiel mit der EU und dem IWF verordneten Sparmaßnahmen legte das Land am Mittwoch bereits zum zweiten Mal lahm. Im vergangenen Jahr wurden sieben Generalstreiks abgehalten.
Auch Gewalt blieb nicht aus: Nach einer friedlichen Kundgebung kam es zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei. Mindestens 14 Menschen wurden dabei verletzt. Ein junger Mann wurde durch einen Schlag auf den Kopf lebensgefährlich getroffen. Der Mann wurde am Nachmittag operiert, er befindet sich in kritischem Zustand.
Polizeiaufgebot überall
Die Behörden hatten ein Großaufgebot von Polizisten in das Stadtzentrum von Athen geschickt, um Ausschreitungen autonomer Gruppen zu verhindern. Am 5. Mai 2010 waren am Rande einer Demonstration drei Bankangestellte getötet worden, nachdem ein Sprengsatz in ihr Büro geschleudert wurde.
Schulen, Universitäten und Behörden blieben unterdessen geschlossen, die Schiffe blieben im Hafen und die Züge in den Bahnhöfen. Behinderungen gab es auch im Flugverkehr, weil die Fluglotsen über die Mittagsstunden am Generalstreik teilnahmen. Da auch die Journalisten streikten, fielen alle Nachrichtensendungen in Rundfunk und Fernsehen aus. Heute, Donnerstag, erscheinen keine Tageszeitungen.
Die Beteiligung an den Kundgebungen blieb diesmal weit hinter den Erwartungen der Gewerkschaften. Insgesamt sollen nach Schätzungen der Polizei rund 30.000 Menschen an den Demonstrationen teilgenommen haben - vor einem Jahr noch waren 300.000 Menschen auf die Straße gegangen. Das mag auch daran liegen, dass viele Griechen keine Alternativen zu den widersprüchlichen offiziellen Rettungsszenarien sehen.
Angesprochen auf die derzeit selbst in Kreisen der Regierungspartei diskutierte Option von vorgezogenen Neuwahlen zuckt Thanassis mit den Schultern. "Von dem, was da ist, will ich nichts wählen, was fehlt, ist jemand, der eine echte Alternative anbietet", meint auch sein Kollege Giannis. Der beim staatlichen Fernsehen angestellte Nassos dagegen würde Neuwahlen begrüßen, weil die linke Opposition daraus wohl gestärkt hervorgehen würde.
Die Regierung von Ministerpräsident Papandreou hatte sich verpflichtet, sein bei der Regierungsübernahme im Jahr 2009 noch 15,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) betragendes Haushaltsdefizit bis 2014 auf die in der EU erlaubten 3 Prozent des BIP zu reduzieren. Steuererhöhungen und Lohnkürzungen haben aber zu einem Einbruch des Binnenmarktes geführt.
Bei der im Raum stehenden Frage nach einer Rückkehr zur Drachme ist die Unsicherheit groß. Das würde aber das Land in der jetzigen Situation "eher rückwärts als vorwärts führen", meint er. Babis von der "griechischen Front für Solidarität und Umsturz" will hingegen einen Austritt aus dem Euro, damit Griechenland eine eigenständige Währungspolitik betreiben könnte.