Der 20-jährige Bürgerkrieg im größten Land Afrikas soll endgültig beendet werden. Nach einem weit reichenden Sicherheitsabkommen zwischen der Sudanesischen Volksbefreiungsarmee (SPLA) unter ihrem Kommandanten John Garang und der Regierung von Präsident Omar el Bashir im September könnte heute im Beisein von US-Außenminister Colin Powell ein umfassender Friedensvertrag unterzeichnet werden.
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Die Friedensverhandlungen im sudanesischen Bürgerkrieg zwischen der SPLA und der Regierung in Karthum sind in einer finalen Phase. Heute will US-Außenminister Powell persönlich an den Gesprächen teilnehmen, um bei der Klärung der letzten Fragen zu assistieren und möglicherweise der Unterzeichnung eines umfassenden Friedensvertrags beizuwohnen.
Sudans Vizepräsident Ali Osman Taha und der Rebellenführer Garang waren beide zuversichtlich, den am längsten dauernden Bürgerkrieg Afrikas beenden zu können. Schon bei den Gesprächen im September konnten sie sich auf einen weitreichenden Sicherheits-vertrag und eine sechsjährige Übergangsfrist bis zu einem Referendum über die Zukunft des Südens einigen. Drei strittige Provinzen und die Verteilung von Macht und dem Ölreichtum des Landes machen den Verhandlern noch Kopfzerbrechen. Taha verwies jedoch auf "große Fortschritte", und die Anwesenheit von Powell, der als Lockmittel die Aufhebung der Wirtschaftssanktionen gegen den Sudan im Gepäck hat, könnte es den Streitparteien einfacher machen, einen Weg zu finden.
Aus SPLA-Kreisen wurde bekannt, dass alles daran gesetzt werde, den Friedensvertrag vor Beginn des islamischen Fastenmonats Ramadan am 27. Oktober unter Dach und Fach zu bekommen. Dies bestätigte der sudanesische Außenminister, der den Frieden "noch dieses Monat" kommen sah.
Ungewöhnliches Lob
Nachdem Präsident Bashir nach den erfolgreichen September-Gesprächen seinen langjährigen Erzfeind Garang demonstrativ im Fernsehen lobte und zur gemeinsamen Zusammenarbeit für die Zukunft des Landes aufgefordert hatte, war nun sein Berater für Afrika-Fragen an der Reihe, Komplimente zu machen. Ali Hassan Taj Eddin pries am Sonntag das Engagement der USA für einen Frieden in dem flächenmäßig größten Staat Afrikas. Und das, obwohl der Sudan von den Amerikanern seit 1993 wegen seiner Verbindungen zu diversen Terror-Netzwerken - bis 1996 fand El-Kaida-Führer Osama Bin Laden in Khartum Unterschlupf - zu den "Schurken-Staaten" gezählt wird, was noch 1998 zur Zerstörung einer pharmazeutischen Fabrik bei Khartum mit Marschflugkörpern geführt hatte.
Islamisierung und Erdöl
Präsident Bashir, der 1989 durch einen Putsch an die Macht gekommen war, hatte gemeinsam mit der grauen Eminenz des sudanesischen Islam, Hassan Turabi, die Islamisierung des Landes forciert. Turabi, der schon 1983 bei der Einführung der Scharia federführend war, wurde schließlich 1999 seiner Ämter enthoben, und 2001 inhaftiert, nachdem er ein Zweckbündnis mit der SPLA eingegangen war, um mit Rückendeckung der Oppositionsparteien des Nordens die Regierung Bashir endgültig loszuwerden.
Umso bemerkenswerter war die Freilassung Turabis Mitte Oktober, gemäß der Vereinbarung vom September bezüglich der Freilassung aller politischen Gefangenen.
Schon seit seiner Unabhängigkeit 1956 war der Sudan von religiösen und ethnischen Spannungen bestimmt. Der rote Faden dabei war der Verfassungsstreit zwischen den Befürwortern eines islamischen Gottesstaates und dem Wunsch des Südens nach einem säkularen, föderalistischen System.
Ausschlaggebend für den furchtbaren Konflikt, der jetzt ein Ende zu finden scheint, war aber das Öl. Als die Regierung 1980 versuchte, die erdölreichen Gebiete des autonomen Südens dem Norden anzuschließen, kam es 1983 zum Aufstand von südlichen Armeeangehörigen und zur Gründung der Sudan People's Liberation Army (SPLA) unter dem Offizier Garang. Wasser auf die Mühlen der SPLA war die Einführung des islamischen Rechts für die Angehörigen aller Religionsgemeinschaften im selben Jahr, das im christlichen und animistischen Süden für blankes Entsetzen sorgte.
Aber die Südsudanesen mussten bitter bezahlen: Etwa zwei Drittel wurden getötet oder verloren ihre Heimat. Zwei Millionen Tote und viereinhalb Millionen Flüchtlinge - mehr als sonst auf der Welt - waren bisher der Preis.