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Auf der Alm, da gibt’s ka Ruh’

Von Katharina Schmidt

Politik
Almidylle - nicht für alle. Manchen Almbauern drohen Rückzahlungen in der Höhe von vier Jahresförderbeträgen.
© Waldhäusl

Neue Verordnung als nächster Schritt im Krimi um falsche Almfutterflächen.


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Wien. "Mir geht es darum, das Maximum für die heimischen Almbauern herauszuholen." Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, wenn ein Bauernbündler einen Satz wie diesen mitten im Nationalratswahlkampf fallen lässt. Mit diesen Worten hat Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich dieser Tage eine Verordnung in Begutachtung geschickt, die den Problemen der Almbauern wegen fehlerhafter Vermessungen Abhilfe schaffen soll.

Der Hintergrund: Seit dem Jahr 2000 müssen geförderte Almen nach bestimmten EU-Vorgaben, die in Österreich seit 2000 in einem "Almleitfaden" abgebildet sind, vermessen werden. So dürfen keine Steine oder Waldflächen als Weidefläche angegeben werden. Die Bauern haben die Größe der tatsächlichen Futterflächen lange Zeit immer selbst in Zusammenarbeit mit Vertretern der Landwirtschaftskammern festgestellt. EU-Kommission und Europäischer Rechnungshof stellten aber Abweichungen zu den tatsächlichen Futterflächen in steigender Zahl fest. Je mehr Abweichungen, desto öfter wurde kontrolliert. Laut dem Leiter der vom Landwirtschaftsministerium im Frühjahr eingesetzten "Soko Almen", Ex-EU-Agrarkommissar Franz Fischler, wurde zuletzt bereits jede zweite Alm überprüft. Das Ministerium hat im vergangenen Dezember auch die Agrarmarkt Austria (AMA) damit beauftragt, die Almen neu zu vermessen, was ihr die Wut vieler Bauern eingebracht hat. Auch die AMA stellte bei 3500 der insgesamt 8700 überprüften Almen Abweichungen fest.

Für die Bauern kann diese Situation insofern existenzbedrohend sein, als sie nicht nur die zu viel bezogenen Förderungen zurückzahlen müssen, sondern auch je nach Ausmaß der Abweichung mit scharfen Sanktionen rechnen müssen. Beträgt der Unterschied zwischen angegebener Fläche und tatsächlicher mehr als 20 Prozent, verliert der Bauer die gesamte Förderung für bis zu vier Jahre rückwirkend. Kann er beweisen, dass ihn keine Schuld an der falschen Flächenfeststellung trifft, muss er keine Sanktionszahlungen leisten. Hier hakt nun Berlakovichs Verordnungsentwurf ein, der noch bis Donnerstag in Begutachtung ist. Darin werden die Gründe konkretisiert, die bei einer Einzelfallprüfung dazu führen, dass der Bauer ohne Sanktionen davon kommt. Das soll dann der Fall sein, wenn er sich bei der Flächenbeantragung auf das Ergebnis der vorangegangenen Vorortkontrolle bezogen hat. Denn auch bei den Vorortkontrollen hat es laut Rechtsanwalt Michael Sommer, der derzeit gemeinsam mit den Bauernvertretern von der Plattform Almfutterflächen Informationsabende quer durchs Land veranstaltet, starke Unterschiede gegeben. Teils hätte es bei zwei Kontrollen innerhalb von vier Jahren eine 50-prozentige Abweichung gegeben.

"Verordnung mit EU-Kommission abgeklärt"

Eine Sanktionsfreistellung soll laut Landwirtschaftsministerium auch dann möglich sein, wenn "die Unrichtigkeit der Digitalisierung zuvor nicht erkannt wurde" - zum Beispiel durch ein mangelhaftes Luftbild. Keine Befreiung ist indes möglich, wenn reiner Wald oder Steine zur Futterfläche dazugezählt wurden - "da dies eindeutig geltendem EU-Recht widerspräche", heißt es aus dem Ministerium. Ansonsten sei der Entwurf aber mit der EU-Kommission abgesprochen, hieß es. Aus dem Büro von Agrarkommissar Dacian Ciolos war urlaubszeitbedingt am Montag keine Bestätigung dieser Angaben zu erhalten.

Im Landwirtschaftsministerium wurde jedenfalls das Personal aufgestockt, laut Berlakovich sind noch 200 Berufungen offen, die so schnell wie möglich abgearbeitet werden sollen. Sollten sich die Verfahren hinziehen, was zu erwarten ist, werden ab Jänner die mit der Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit neu geschaffenen Verwaltungssenate für die Almfutterflächen zuständig sein. Um derartig hartnäckige Probleme für die Zukunft auszuschließen, ist im Ministerium auch eine eigene Arbeitsgruppe damit beschäftigt, ein neues System zur Flächenvermessung auszuarbeiten. Dieses soll ab 2015 angewendet werden, damit befasst sind neben Vermessungsexperten, Vertretern der Landwirtschaftskammer, der Almbauern und der AMA auch Mitglieder der "Soko Almen". Deren Chef Fischler warnte vor bösen Überraschungen: Dadurch, dass die Soko erst so spät eingeschaltet wurde, sei es nur noch möglich gewesen, den Stichtag für die Förderungseinreichung nach hinten zu verschieben. Dadurch seien akut 140 Reparaturen gelungen, Fischler erwartet "im Extremfall durchaus noch mehrere hundert" strittige Angaben.

Seitens der AMA, die zumindest zum Teil von der neuen Verordnung betroffen sein wird, hieß es am Montag, man warte nun einmal die Begutachtungsfrist ab.

"Augenauswischerei im Nationalratswahlkampf"

Für Anwalt Sommer hingegen greift die Verordnung zu kurz. Damit werde nur präzisiert, was in der entsprechenden EU-Verordnung ohnehin schon festgeschrieben sei, sagt er. Sommer tourt durch Österreich, um einen Musterfall zu finden, den man durchfechten kann. Für ihn sind die Bauern Opfer eines mangelhaften Mess- und Kontrollsystems. Er will Amtshaftungsklagen gegen die Republik einbringen - auch das wird ein langfristiges Unterfangen. "Unter ein- bis eineinhalb Jahren geht da nichts." Und: "Für mich ist der Verordnungsentwurf politische Augenauswischerei im Nationalratswahlkampf." Ein Schelm, wer Böses denkt.