"Es gibt nichts zu feiern" war das Motto der Studenten. | 10.000 Teilnehmer laut Veranstalter, 3200 laut Polizei. | Großräumige Sperren um Hofburg. | Wien. Darüber, dass der Bologna-Prozess abgeschafft, und nicht gefeiert gehört, war man sich am Donnerstag bei der Demonstration vom Westbahnhof über die Mariahilfer Straße, die ehemalige Zweierlinie und die Ringstraße unter den Studenten einig. | Bologna - es geht um eine Vision | Bologna - gefeiert und geschmäht
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
"Es ist eine reine Verhöhnung unserer verzweifelten Lage. Wir können nicht zulassen, dass die europäischen Bildungsminister in der Hofburg ungestört zehn Jahre Bologna-Prozess feiern, während dieses System auf unserer Uni für katastrophale Zustände gesorgt hat", sagte der 23-jährige Politikwissenschaft-Student und Mitorganisator der Demonstration Philipp im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Schon vor drei Monaten - als man von der in Wien und Budapest geplanten Jubiläumskonferenz zu zehn Jahren Bologna erfuhr - habe man daher mit der Planung einer Gegenveranstaltung begonnen.
So zogen am Donnerstagnachmittag mehrere tausend Teilnehmer - nach Angaben der Polizei 3200, 10.000 den Organisatoren zufolge - vom Wiener Westbahnhof Richtung Innenstadt. Nachdem sich zum geplanten Demo-Beginn um 15 Uhr erst an die 300 Teilnehmer am Westbahnhof versammelt hatten, wurde der Abmarsch auf 16 Uhr verschoben.
"Bologna stinkt"
Danach ging es, Transparente wie "Dichter und Denker statt Bachelor und Banker", "Morbus Bologna. Widerstand schützt", oder einfach "Bologna stinkt" schwenkend weiter Richtung Innenstadt. Von mehreren Lastwägen ertönte dazu Live-Musik, Clowns und Akrobaten tanzten durch die Menge. Dabei wurden lautstark Parolen wie "Wessen Straße, unsere Straße, wessen Uni, unsere Uni" oder "Solidarisieren, mitmarschieren" gerufen.
"Diese Demonstration hier ist der beste Beweis dafür, dass die Studentenbewegung nicht tot ist", meinte der 22- jährige Student Jakob euphorisch. Sie zeige, dass man es seit den Studentenprotesten im Herbst geschafft habe, längerfristige Strukturen aufzubauen.
Im Vordergrund der studentischen Kritik standen die als negativ empfundenen Auswirkungen des Bologna-Prozesses, wie die Verschulung und die Fixierung der Unis auf die Ziele der Wirtschaft. Demonstriert wurde aber auch, wie bereits vergangenen Herbst, für den freien Uni-Zugang und die Finanzierung und Demokratisierung der Universitäten. Auch Themen wie Rassismus und Gleichberechtigung wurden zum Protestgegenstand erhoben.
Nach der Abschlusskundgebung vor der Hofburg um 18.30 Uhr riefen die Veranstalter zu Straßenblockaden auf, um den Ministern der 47 Bologna-Teilnehmerstaaten den Weg in die Hofburg zu versperren. Von den Organisatoren wurden dafür Styropor-Sitze verteilt.
Ziel: Straßen verstopfen
Das Ziel der Veranstalter war dabei, die "Straßen zu verstopfen, um den Ministern zu zeigen, was es heißt, mit Zugangsbeschränkungen konfrontiert zu sein". "Sie, die mit ihren Limousinen hierher kommen, müssen erst einmal an uns vorbei", hieß es bei der Abschlusskundgebung. Die Polizei sperrte mit einem Großaufgebot sämtliche Zugänge beziehungsweise Zufahrten rund um die Hofburg.
Die vorgesehenen Straßenblockaden gelangen aber nur zum Teil. Der für 21.30 Uhr geplante Beginn der Jubiläums-Konferenz verzögerte sich aufgrund der Blockade von Shuttle-Bussen. So wurden an der Ecke Walfischgasse/Kärntnerstraße zwei Shuttle-Busse an der Fahrt gehindert. Die Polizei trug die Protestierenden weg oder drängte sie mit einem Großaufgebot ab. Andere Studenten beklagten: "Die Organisatoren haben versagt." So irrte ein Zug von rund 150 Menschen mehrere Stunden lang ziellos durch die Wiener Innenstadt. Ursprünglich hätte diese Gruppe das Hotel blockieren sollen, in dem viele Konferenzteilnehmer untergebracht war. Auf dem Ring, wo an die 150 Personen tanzend und trommelnd die Straße beherrschten, kam es zu Wortgefechten mit Autofahrern. Als ein Einsatzfahrzeug blockiert wurde, griff die Polizei ein.