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Auf der Straße kommen's zamm

Von Bernd Vasari

Politik

Alle Parteien sind sich einig: Die Zukunft liegt im Ausbau von Radwegen und Öffis.


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Wien. Parkplatz suchen, im Stau stehen, hohe Wartungskosten. Ein Auto in der Stadt zu haben und damit seine täglichen Wege zurückzulegen, ist mühsam geworden. Zu mühsam für viele Städter, die vermehrt auf andere Transportmittel setzen. Musste man vor wenigen Jahren mit 18 Jahren noch den Führerschein machen, um nicht als Außenseiter zu gelten, so bevorzugen heute immer mehr Städter ein führerscheinloses Leben. Dieser weltweite urbane Trend ist nun ebenso in Wien angekommen. Ein Trend, der in den vergangenen fünf Jahren der rot-grünen Stadtregierung aber auch für reichlich Konflikte sorgte. Auf der einen Seite die größer werdende Anzahl von Radfahrern (Anteil am Verkehrsaufkommen: 7 Prozent), Fußgängern (26 Prozent) und Öffi-Benützern (39 Prozent), die ihren Anteil auf der Straße einfordern. Auf der anderen Seite Autofahrer (28 Prozent), die ihre führende Rolle auf der Straße behalten wollen.

Im Wahlkampf spielte das Thema Verkehr eine wichtige Rolle. Es gab keine Partei, die zu dem Thema nicht Stellung bezogen hätte. Vor allem bei FPÖ und ÖVP, die sich als Autofahrerpartei inszenierten, und bei den Grünen, die sich für Begegnungszonen, Radverkehr und Fußgänger aussprachen, stand Verkehr ganz oben auf der Agenda. Doch, so sehr der Unterschied zwischen den beiden Lagern auf Wahlplakaten und bei Auftritten betont wurde, so sehr folgen sie gleichzeitig dem weltweiten städtischen Trend. Bei einem Rundruf der "Wiener Zeitung" waren sich alle Parteien einig, dass der Weg für eine zukünftige Verkehrspolitik in Wien nur über den Ausbau von Radwegen und Öffis führen kann. Der Autoverkehr solle hingegen reduziert werden.

SPÖ

Für die Koalition mit den Grünen musste die SPÖ 2010 auf das Verkehrsressort verzichten. Statt des roten Rudolf Schicker, der Klubchef wurde, übernahm die grüne Spitzenkandidatin Maria Vassilakou das Ressort. Die Wiener Linien behielt sich aber die SPÖ. Sie wurden in das Finanzressort eingegliedert. Er würde lieber mit den Grünen über ein paar Straßen streiten als über Grundsatzfragen mit der ÖVP, sagte Bürgermeister Michael Häupl nach dem Wegfall des Verkehrsressorts. Dass die Grünen eine Neuordnung auf der Straße forcieren und damit Akzente setzen würden, mit der sie die SPÖ in den Schatten stellte, ahnte er da noch nicht. Auch viele seiner Genossen waren in Gedanken noch eher bei der autogerechten Stadt der 1970er Jahre als beim bereits stattfindenden Mobilitätswandel. Für Häupl ging es jedenfalls zu schnell. Die Wiener würden eine Begegnungszone nicht verstehen, sagte er, nachdem die Pläne für eine verkehrsberuhigte Mariahilfer Straße präsentiert wurden. Der Stadtchef wollte lieber eine durchgehende Fußgängerzone statt einer Begegnungszone auf der Shoppingmeile haben. Mittlerweile sei die Mariahilfer Straße aber ein rot-grünes Erfolgsprojekt, wird vonseiten der SPÖ betont.

Doch ganz geheuer scheint die weitgehend verkehrszeichenlose Begegnungszone den Roten noch nicht zu sein. Erst unlängst erteilte der rote Verkehrssprecher Gerhard Kubik den grünen Plänen, die Landstraßer Hauptstraße zu einer Begegnungszone umzuwandeln, eine Absage. Er sei nach wie vor sehr skeptisch gegenüber dieser Art von Verkehrsberuhigung, sagt Kubik der "Wiener Zeitung". Dadurch würden Öffis behindert werden, weil ihnen - aufgrund der fehlenden Verkehrszeichen - der notwendige Vorrang weggenommen werde. Kubik räumt aber ein, dass Begegnungszonen dort funktionieren, wo viele Fußgänger auf der Straße unterwegs sind. Dort würde es auch Sinn machen, wenn die Verkehrsteilnehmer statt auf Verkehrszeichen, auf die anderen Verkehrsteilnehmer schauen, sagt er. "Wenn die Leute aufeinander Rücksicht nehmen, hat diese Form schon Zukunft. Aber bis jetzt konnte ich diese Rücksichtnahme zumindest beim Autofahren nicht feststellen."

Offener zeigt sich Kubik beim Thema Radverkehr. Die Benützungspflicht für Radwege sei nicht immer sinnvoll. Vor allem in 30er-Zonen soll die Benützungspflicht aufgehoben werden. Kubik: "Fahrradboten und schnelle Radfahrer sollen sich nicht auf langsamen Radwegen entlangquälen, die schaffen locker 30 km/h."

Einig ist man sich mit dem grünen Koalitionspartner, dass die Öffis weiter ausgebaut werden sollen. Auf Schiene gebracht wurde der Bau der U-Bahnlinie U5 von Karlsplatz bis Elterleinplatz und die Verlängerung der U2 zum Wienerberg sowie zahlreiche Neubauten von Straßenbahn- und Buslinien. Eine U-Bahn-Verlängerung nach Niederösterreich, so wie es etwa ÖVP und FPÖ fordern, hält Kubik hingegen für nicht finanzierbar. "Es geht nicht nur um die Finanzierung des Baus, sondern auch um die Finanzierung des laufenden Betriebs. Über die Stadtgrenzen werden wir es nur machen, wenn es Niederösterreich zahlt. Schließlich zahlen sie ja auch keine Buslinie in Wien."

Um die zahlreichen Autopendler, die täglich nach Wien hereinkommen, sollte sich ebenso Niederrösterreich kümmern. Kubik ist gegen einen großzügigen Ausbau von Park&Ride-Anlagen in Wien. Um Anreize für die Pendler zu setzen, dass sie ihr Auto stehen lassen, müssten die S-Bahnen kürzer getaktet werden.

Auf die Frage, ob die SPÖ das Verkehrsressort wieder zurückhaben wolle, antwortet Kubik: "Sollte es so eintreten, wie der Herr Bürgermeister sagt, dann haben wir das Ressort, weil dann haben wir ja die absolute Mehrheit", sagt er und lacht. Das vorrangige Ziel der kommenden fünf Jahre sei es, den Einfluss der Bezirke zu stärken. Sie sollten laut Kubik ein gewichtigeres Wort bei Verkehrspolitik mitreden dürfen.

FPÖ

"Schikanen für den Autoverkehr", "Systematische Parkplatzvernichtung", "Aussackeln der Autofahrer", "Autofahrerverarschung". Diese und ähnliche Sprüche ist man von der FPÖ gewöhnt, wenn es um das Thema Verkehr geht. Auch, dass Projekte, wie etwa Rad-Highways, die den Radanteil in der Stadt erhöhen sollen, von den Blauen als Hanfideen verspottet werden, ist bekannt. Wer hätte da gedacht, dass der blaue Verkehrssprecher Anton Mahdalik, Autor der zitierten Aussagen, bis vor kurzem noch seinen täglichen Arbeitsweg mit dem Fahrrad zurückgelegt hat. Bei jedem Wetter, wie er betont. Von seiner Wohnung in Essling am äußersten Rand der Donaustadt sei er Tag für Tag 20 Kilometer in das Rathaus gefahren. "Damit man Bewegung macht", sagt der blaue Verkehrssprecher. Derzeit sei es für ihn aber aufgrund des Wahlkampfs nicht möglich, mit dem Rad zu fahren. Auch Heinz-Christian Strache ließ in der TV-Elefantenrunde am Montag aufhorchen, als er den Ausbau von Radwegen forderte.

Mahdalik legt nun nach. Geärgert habe ihn, dass in den vergangenen fünf Jahren zu wenige Radwege gebaut wurden, sagt er der "Wiener Zeitung". "Das wäre es aber eigentlich, um den Radverkehr attraktiver zu machen. Da haben wir gar nichts dagegen. Wir grundeln ja noch immer bei sieben Prozent herum." Auch die FPÖ würde Radwege bauen, wenn sie in der Regierung säße, sagt der blaue Verkehrssprecher. Auf die Nachfrage, wohin diese gebaut werden würden, rudert Mahdalik dann aber etwas zurück. "Am sichersten sind die richtigen Radwege. Doch um dafür Platz zu schaffen, müsste man Parkplätze, Fahrspuren oder Teile vom Gehsteig wegnehmen. Das wollen wir nicht. Deswegen sind Mehrzweckstreifen, die auf der Fahrbahn neben der Parkspur aufgepinselt werden, die beste Variante." Dass die Unfallgefahr, wenn jemand ohne zu schauen die Autotüre öffnet, sehr hoch ist, weiß Mahdalik. Er setzt hier auf die Eigenverantwortung der Autofahrer.

Eine altbekannte Forderung der FPÖ ist die Kennzeichenpflicht für Radfahrer, damit diese sich nicht mehr trauen würden, rote Ampeln zu ignorieren, wie der blaue Verkehrssprecher aus eigener Erfahrung weiß. "Als Radler bin ich natürlich bei jeder roten Ampel stehen geblieben. Ich möchte als Verkehrssprecher, der immer die Radrowdies verdammt, ja nicht auf YouTube oder Facebook zu sehen sein, wenn ich selber bei Rot fahre. Daher bin ich wie ein Vollpfirsich bei den roten Ampeln herumgestanden, während 50 Prozent der anderen Biker weitergefahren sind."

Eine weitere Forderung der FPÖ ist das Vorziehen des U-Bahn-Ausbaus. Die U3 soll nach Kaiserebersdorf, die U4 nach Auhof und Klosterneuburg und die U6 nach Stammersdorf bzw. nach Mödling verlängert werden. Zusätzlich fordern die Blauen 25.000 neue Park&Ride-Plätze an den Stadträndern. Jeder Autopendler, der eine Jahreskarte der Wiener Linien kauft, soll dort gratis parken dürfen. Die Antwort, wie dieses Milliardenprojekt finanziert werden soll, bleibt Mahdalik weitgehend schuldig. Nur so viel: Niederösterreich müsste auch etwas dazuzahlen, sagt er.

ÖVP

Die U-Bahnen ausbauen, will auch die ÖVP. Genauso wie die FPÖ wollen die Schwarzen Verlängerungen der U4 nach Auhof, der U6 nach Stammersdorf und nach Mödling, aber auch Weiterführungen der U1 nach Gerasdorf und der U3 nach Schwechat. Im Gegensatz zur FPÖ gibt es aber konkretere Vorschläge zur Finanzierung. So fordern die Schwarzen nicht den sofortigen Ausbau aller U-Bahnlinien. Weiters müsste eine Mitfinanzierung durch den Bund sichergestellt werden. ÖVP-Verkehrssprecher Roman Stiftner kann sich ebenso "Effizienzsteigerungsmaßnahmen, wie bei jedem anderen Unternehmen", vorstellen. Er fordert einen "Kulturwandel" bei den Wiener Linien, also "marktgerechte" und "leistungsbezogene" Gehälter, wie er sagt. "Das wäre für die Leistung der Mitarbeiter motivierend. Ich bin überzeugt davon, dass hier hunderte Millionen Euro rauszuholen sind. Damit könnte man auch die derzeit jährlich zugeschossenen 700 Millionen Euro an die Wiener Linien begleichen", betont Stiftner. Ausbauen und an Wien anbinden will die ÖVP auch die Transsibirische Eisenbahn, die derzeit in der Slowakei endet. Bezahlt soll der Ausbau von privaten Investoren werden

Im Wahlkampf positionierte sich die Partei, so wie die FPÖ, aufseiten der Autofahrer. Viele seien auf das Auto angewiesen, da die Öffis in den äußeren Bezirken nicht gut genug ausgebaut seien, sagt Stiftner. "Mit einem engen Terminkalender öffentlich nach Mauer (23. Bezirk, Anm.) zu fahren, ist derzeit eine Lebenseinschränkung, gegen die wir uns wehren. Keiner fährt gerne mit dem Auto in der Stadt. Aber manche müssen es." Im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" spricht sich der ÖVP-Verkehrssprecher aber auch für alle anderen Verkehrsvarianten aus. Neben der Attraktivierung der Öffis wünscht sich der Jahreskartenbesitzer der Wiener Linien auch den Ausbau von Radwegen. Vor allem in Stadtentwicklungsgebieten und im Umland seien diese nötig und könnten für Pendler eine Alternative zum Auto darstellen. "Wenn ich weite Wege zur Straßenbahn- oder U-Bahnstation habe, wäre es doch denkbar dorthin mit dem Rad zu fahren", sagt Stiftner.

Für Menschen, die trotzdem mit dem Auto fahren, sollte es an den U-Bahnstationen an der Stadtgrenze Park&Ride-Anlagen geben. "Menschen sollen motiviert werden, möglichst nicht mit dem Auto in die Stadt zu fahren." Neben den Park&Ride-Anlagen fordert er auch eine Staffelung der Parkpickerlgebühren. "Wenn es in der Stadt teurer ist, als weiter draußen, werde ich eher nicht reinfahren."

Grüne

Selten konnte sich ein kleiner Koalitionspartner in diesem Ausmaß in Szene setzen, wie die Grünen mit dem Verkehrsressort während der vergangenen fünf Jahre. Die Marschrichtung war von Anfang an klar. Gefördert wird jedes Verkehrsmittel mit Ausnahme des Autos. 365 Euro-Jahreskarte für die Öffis, Ausweitung der Parkpickerlzonen, Verkehrsberuhigungen, Tempo 30 Zonen. Damit soll es auch bei einer eventuellen Neuauflage der rot-grünen Koalition weitergehen. Ihre verkehrspolitischen Bedingungen richteten die Grünen der SPÖ bereits im Wahlkampf aus. "Wir wollen hier klare Festschreibungen, wann wir was machen, und eine Finanzierungsgarantie", gab Verkehrssprecher Rüdiger Maresch einen Vorgeschmack auf mögliche rot-grüne Koalitionsverhandlungen. Es sollen Straßenbahnen und Buslinien gebaut und S-Bahnlinien kürzer getaktet sowie neu erstellt werden. So will man etwa die Südbahn zwischen Meidling und Mödling viergleisig ausbauen und die S80 von Raasdorf über die Seestadt bis nach Purkersdorf führen. Vorstellen können sich die Grünen auch Schnellstraßenbahn-Verbindungen à la Badner Bahn. Angedacht sind Verbindungen nach Wolkersdorf, Groß-Enzersdorf und Schwechat.

Um diese Projekte umsetzen zu können, wollen die Grünen bei einer Neuauflage von Rot-Grün mehr Einfluss auf die Wiener Linien und auf die Verhandlungen mit der ÖBB haben. Dinge wie Busplanung oder Intervalltaktung unterliegen derzeit der SPÖ. Vertreten wollen die Grünen auch im Verkehrsverbund Ost-Region (VOR) sein. Derzeit sitzen in dem bundesländerübergreifenden Gremium nur Vertreter von der SPÖ und dem ÖVP-Wirtschaftsbund.

Sollten die Grünen erneut die Verkehrsstadträtin stellen, werden sie weiterhin auf breitere Gehsteige, die Reduzierung von Park- und Autospuren und den Ausbau von Radwegen setzen. So soll Radfahren auch im Süden und Norden der Stadt verbessert werden, sagt Maresch. "Dort, wo Radfahren gegen Einbahn möglich ist, werden wir es auch machen." Zudem könnten Radwege auf Fahrspuren verlegt werden. Ein Radweg am Gehsteig sei schließlich ein Ärgernis. Der gehöre auf die Fahrbahn.

Neos

Auf Radfahren und Öffis setzen auch die Neos. Bei der Planung sollen dabei die Bürger eine wichtige Rolle spielen und mit eingebunden werden. Der U-Bahn-Ausbau, wie er von ÖVP und FPÖ gefordert wird, sei für die Pinken hingegen zu teuer. "Es gibt ohnehin eine funktionierende S-Bahn-Infrastruktur, aus der man noch einiges rausholen kann", sagt Neos-Verkehrssprecherin Bettina Emmerling. Auch Park&Ride-Anlagen in Wien hält Emmerling für wenig sinnvoll. "Das sind Riesenklötze, die maximal 600 Autos füllen können. Die füllen in der Früh nicht einmal einen U-Bahnzug, wo 1000 Menschen Platz haben. Das ist Verschwendung von Grund und Boden." Kritisiert wird auch die derzeitige Parkraumbewirtschaftung. "Wir wünschen uns ein wienweites Parkpickerl. Statt Bezirksgrenzen wollen wir kleinteiligere Zonen, die rund um den Wohnort definiert sind." Ausgebaut werden sollen hingegen Carsharing, Busverbindungen und Straßenbahnlinien.