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Auf der Suche nach dem Ärztemangel

Von Katharina Schmidt

Politik

Europarechtler: Quotenregelung für Medizin wird halten. | Derzeit keine validen Zahlen zu Ärztemangel. | Wien. Beatrix Karl ist zuversichtlich. Auch eine Woche nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs zu den belgischen Unizugangsquoten zeigte sich die Wissenschaftsministerin am Dienstag überzeugt davon, dass damit auch die österreichische Quote für Medizin halten wird.


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Zur Erinnerung: Der EuGH hat festgestellt, dass die belgische Regelung, wonach 30 Prozent der Studienplätze in medizinischen Fächern für EU-Ausländer reserviert sind, dem Gleichheitsgrundsatz widerspricht. Aber angesichts der sonst drohenden Gefahr des Ärztemangels für das belgische Gesundheitssystem dürfe die Quote bleiben.

Für den Innsbrucker Europarechtsexperten Walter Obwexer ist die österreichische Mediziner-Quote - 75 Prozent der Studienplätze sind für Österreicher reserviert - nun "mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit haltbar". Der EuGH habe auch festgehalten, dass die Mitgliedstaaten anders als bisher präventiv Maßnahmen ergreifen können.

Der EuGH betonte aber, dass der drohende Missstand - also ein Ärztemangel - belegt werden muss. Dies tut Österreich seit 2007, als die Kommission ein Vetragsverletzungsverfahren wegen der Quote bis 2012 ausgesetzt hat. Seither werden jährlich Zahlen etwa zu Turnusärzten aufgeschlüsselt nach dem Herkunftsland übermittelt.

Doch genau hier liegt das Problem: Valide Zahlen, die die Abwanderung deutscher Absolventen belegen, gibt es nicht. So zeigen zwar Umfragen, dass 2008 und 2009 jeweils 70 Prozent der Deutschen im letzten Studienjahr ihren Beruf nicht in Österreich ausüben wollen. Allerdings wurden nur 21 beziehungsweise 26 Personen befragt - wodurch die Daten für eine "Interpretation nicht ausreichen", heißt es im Ministerium.

Dass Österreich ein Ärztemangel droht, konnte bisher ebensowenig belegt werden. Das Wissenschaftsministerium beruft sich auf eine Studie des Bundesinstituts für Gesundheitswesen (Öbig) aus 2007, wonach jährlich bis zu 1000 Medizin-Absolventen nötig sind, um die Gesundheitsversorgung sicherzustellen.

Laut Ärztekammer droht Pensionierungswelle

Laut Ärztekammer liegt das Durchschnittsalter der Spitalsärzte bei 50 bis 53 Jahren - in sieben bis zehn Jahren drohe demnach eine Pensionierungswelle. Zudem würden viele Absolventen wegen der hohen Arbeitsbelastung und bürokratischen Hürden "verdampfen", also erst gar nicht den Arztberuf ergreifen. Sprecher Martin Stickler geht davon aus, dass trotz der Mediziner-Quote etwa 20 bis 25 Prozent der Ärzte fehlen.

Anders sieht das IHS-Gesundheitsexperte Thomas Czypionka. In den kommenden fünf bis zehn Jahren gebe es noch nicht die Gefahr eines Ärztemangels, meint er. Gleichzeitig müsse man sich aber wegen der langen Ausbildungsdauer schon jetzt Gedanken machen, wie in Zukunft die Versorgung sichergestellt werden soll. Einerseits müsse man die Alterspyramide beachten, andererseits die Frage, ob etwa in den Spitälern die Höchstarbeitszeit eingehalten werden soll, was derzeit oft nicht der Fall ist. Laut Czypionka hätte Österreich ohne die Mediziner-Quote jedenfalls ein Problem.

Studie zu Ärztebedarf bis Mitte 2011 geplant

Wissenschafts- und Gesundheitsministerium haben bei der Öbig eine Studie in Auftrag gegeben, in deren Rahmen der tatsächliche Ärztebedarf bis Mitte 2011 erhoben wird.

Karl will sich in der Zwischenzeit für eine Verlängerung des Moratoriums bis 2017 einsetzen. Auf die Frage, ob die Kommission angesichts des EuGH-Urteils generell auf ein Verfahren gegen Österreich verzichten wolle, sagte sie: "Von einem Vertragsverletzungsverfahren ist derzeit überhaupt nicht die Rede, wir werden weiter Zahlen liefern."