Während der US-Wahlkampf den Krieg in Afghanistan weitgehend ignoriert, suchen Diplomaten im Hintergrund nach einer Chance auf Frieden.
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Während der geflissentlich übersehene Krieg in Afghanistan sich weiterschleppt, erkunden Verantwortliche in Washington, Kabul und Islamabad eine Strategie des kleinsten gemeinsamen Nenners, um aus der diplomatischen Sackgasse zu kommen. Der Zweck ist, einen Weg für den Rückzug der US- und Nato-Truppen zu finden, weg von einem Krieg, von dem kaum jemand mehr glaubt, dass er allein durch militärischen Einsatz zu gewinnen ist. Das Ziel ist ein Entwurf für eine politische Übergangsphase, in der die Ansprüche beider Seiten auf das absolut Nötigste hinuntergeschraubt werden, um ein besseres Ergebnis zu erreichen, als auf dem Schlachtfeld möglich wäre.
Beamte des US-Verteidigungsministeriums vergleichen die Vorgangsweise mit der Downing-Street-Deklaration für Nordirland aus dem Jahr 1993. US-Regierungsbeamte erprobten gemeinsam mit General Ehsan Ul-Haq, einem früheren pakistanischen Geheimdienstchef, einen solchen Ansatz. Haq stellte seine Sieben-Punkte-Roadmap, die mehr auf politischen Übergang abzielt als auf die verfahrene militärische Lage, kürzlich in Washington vor.
Haq sieht zwei Mindestforderungen der USA: keine Al-Kaida-Einheiten in Afghanistan und keine Rückkehr zur Unterdrückungspolitik der Taliban gegenüber Frauen. Die Taliban haben laut Haq nur eine einzige unverzichtbare Forderung: keine ausländischen Streitkräfte mehr in Afghanistan. Diese Mindestvoraussetzungen könnten erfüllt werden, sagt Haq. Taliban-Führer Mohammad Omar verteidigte in seiner jüngsten Botschaft zum muslimischen Feiertag Eid al-Fitr die Friedensgespräche mit den USA als Weg, "unsere Ziele zu erreichen" und sagte, die Taliban würden den Frauen alle gesetzmäßigen Rechte zugestehen, im Rahmen der islamischen Prinzipien und der nationalen Interessen. Und in anderen Taliban-Erklärungen finden sich Anhaltspunkte für ein Zurückweisen der Al-Kaida.
Um die Region zu beruhigen, schlägt Haq eine Art afghanischer Neutralität vor, ohne ausländische Einmischung. Und um auf Pakistans Ängste einzugehen, regt Haq an, dass Afghanistan seine Millionen Kriegsflüchtlinge zurücknimmt und die beiden Staaten gemeinsam eine Grenze etablieren, die "gefestigt, reguliert und stabilisiert" ist.
Marc Grossman, US-Sondergesandter für Afghanistan und Pakistan, setzt seine stille Reisediplomatie fort und versucht, die afghanischen Parteien zu einem Dialog zu überreden, um einen Bürgerkrieg abzuwenden, wenn die USA nächstes Jahr beginnen, ihre Streitkräfte abzuziehen. Ein positiver Faktor ist die Einigung im Mai auf eine "strategische Partnerschaft", die garantiert, dass die USA die afghanischen Sicherheitskräfte noch zehn Jahre nach dem Abzug der Nato-Truppen 2014 unterstützen.
Vor dem Hintergrund der ausweglosen Lage in Afghanistan sollte man meinen, dass der Krieg und die Strategien, ihn zu beenden, im US-Wahlkampf ein großes Thema sind. Leider operieren Militärs und Diplomaten aber immer noch in einem politischen Vakuum und die Präsidentschaftskandidaten tun so, als ob sich der brutale Konflikt in Afghanistan schon irgendwie von selbst auflösen werde.
Übersetzung: Redaktion
Originalfassung "Looking beyond the Afghan dead end"