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Auf der Suche nach dem kultigen Außenseiter

Von Klaus Huhold

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Klaus Huhold ist Redakteur im Außenpolitik-Ressort der "Wiener Zeitung".
© Thomas Seifert

Dieser WM fehlt ein Roger Milla. Oder auch ein Otto Rehhagel.


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Sein Lambada-Tanz beim Torjubel wurde derart zum Kult, dass ihn Anfang der 1990er Jahre auch so mancher Provinzkicker vor seinen (zumeist sehr wenigen, zumeist sehr bierbäuchigen) Fans nachzuahmen versuchte. Roger Milla war bei der WM 1990 das Gesicht des Sensationsteams aus Kamerun. Bei der bis heute torärmsten WM lieferten die Westafrikaner, die bis ins Viertelfinale kamen, Show, Offensivakzente und spektakuläre Partien.

Die Kicker aus Kamerun waren der Außenseiter, auf den sich alle einigen konnten. Immer wieder erscheint bei Turnieren so ein Underdog. Sympathien gewinnen diese Teams zumeist weniger wegen ihres Spielstils - dass Außenseiter auch attraktiv kicken, war das große Täuschungsmanöver Kameruns. Vielmehr sind es der ewige Mythos von David gegen Goliath und die anderen Bilder und Geschichten, die sich um Außenseiter ranken, die sie so kultig werden lassen.

Griechenland punktete bei der Euro 2004 mit seinem Kampfgeist - und seinem verschroben-genialen Trainer Otto Rehhagel, der seinem Libero (ja, er spielte noch mit einem) seine Anweisungen bevorzugt per Pfeifsignal (immer mit dem kleinen Finger im Mund) gab, der mit seinem Jubel (einfach mal losrennen und mit geballter Faust in die Höhe hüpfen) und seinen Trainingsanzügen einer Welt entsprungen war, in der es wahrlich noch keine Instagram-Accounts gab. Griechenland hat aber bei folgenden Turnieren nach der gefühlt zweiundneunzigsten Abwehrschlacht viel Sympathien verloren. Ähnlich geht es so manchen mit Island, dem Kultteam der Europameisterschaft 2016: Dass Wikinger-Hu der Fans kennt man mittlerweile. Und die Fünf-bis-zehn-Mann-Abwehrkette der Isländer und ihre weiten Outeinwürfe, nun ja, das kann für Zuseher doch auch ein wenig zäh sein.

Überhaupt war und ist es bisher schwer, bei dieser WM diesen einen Außenseiter zu finden, für den man - auch um die Angelegenheit für sich selbst ein wenig spannender und lustiger zu machen - die Daumen hält. Dass Panama das Tor beim 1:6 gegen England bejubelt, als wäre es der WM-Titel, ist zwar ein netter Moment, trägt aber nicht weit. Oder der Iran: Der hat es - bei allem Respekt vor seinen sportlichen Leistungen - bei seinen Matches mit dem zerstörerischen Element übertrieben. Und dass die Fans vor dem entscheidenden Match gegen Portugal die Nachtruhe des Gegners mit Gesängen störten, war keine feine Aktion.

Aber ein Team gibt es, das bisher überrascht und sehr ansehnlichen Fußball gespielt hat. Gut, Japan ist höchstens ein halber Außenseiter. Aber trotzdem waren die Asiaten als schwächste Mannschaft der Gruppe H eingeschätzt, nun führen sie die Tabelle an. Geschafft haben die Japaner das mit cleveren Matchplänen, variablen Spielzügen, schönen Kombinationen, viel Einsatz und auch ein wenig Glück. Nur: Japan liefert wenig Show. Die Spieler treten zurückhaltend auf, die größte Extravaganz an diesem Team scheint, dass sich zwei Spieler die Haare gefärbt haben. Doch vielleicht ist das in Zeiten, in denen Stars sich bei ihrem Torjubel ohne Respekt vor dem Gegner aufplustern und ihre Muskeln präsentieren, doch auch schon wieder eine schöne Story.