Nichts tun und nein sagen ist bei Asyl und Migration für die EU keine Option mehr.
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Die EU-Kommission hat ihren neuen Vorstoß zu einer gemeinsamen Asylpolitik präsentiert. Und es wurde eine heikle Gratwanderung, da ja einige EU-Länder - darunter Österreich, Ungarn und Polen - eine Aufteilung von Flüchtlingen strikt ablehnen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen appellierte an alle EU-Mitglieder, so wie bei Binnenmarkt und gemeinsamer Währung auch bei der Asylpolitik (bisher hauptsächlich in nationaler Kompetenz) an einem Strang zu ziehen. Das bisherige System funktioniere nicht mehr. Die EU müsse beweisen, dass sie mit dem Problem als Einheit human und effektiv umgehen könne.
Dafür soll künftig ein dreistufiges Verfahren eingeführt werden. In normalen Zeiten bleibt es bei der freiwilligen Hilfeleistung durch andere Staaten. Gerät aber ein Land unter Druck, kann es einen Mechanismus für verpflichtende Solidarität auslösen. Dann soll die EU-Kommission prüfen, wie viele Asylwerber es aufnehmen kann. Die anderen EU-Länder sind dann zur solidarischen Hilfeleistung verpflichtet: indem sie einen Teil der Flüchtlinge aufnehmen oder durch anderweitige Hilfe - etwa beim Migrationsmanagement oder bei der Abschiebung von Zuwanderern ohne Aussicht auf Schutzstatus. Damit sollen Länder, die gegen einen Verteilungsschlüssel sind, in die Pflicht genommen werden, einen Beitrag zu leisten.
Erst bei einer Krise wie 2015 soll ein neuer Mechanismus mit weniger Optionen greifen: Migranten - auch ohne Anspruch auf Asylstatus - sind aufzunehmen oder binnen acht Monaten abzuschieben. Dafür soll es neue "Abschiebe-Patenschaften" geben. Ein bloßes Nichtstun ist dann für jene, die sich derzeit gegen die Aufnahme von Flüchtlingen wehren, nicht mehr zulässig.
An der Dublin-Regel, wonach jener EU-Staat, den ein Schutzsuchender zuerst betreten hat, für das Asylverfahren zuständig ist, wird grundsätzlich festgehalten. Griechenland und Italien, die hier bisher die Hauptlast tragen, haben eine Änderung gefordert.
Die EU-Kommission will auch den Schutz der Außengrenzen verstärken und dafür die Grenzschutzagentur Frontex personell und finanziell aufstocken. Damit Drittstaaten, aus denen Flüchtlinge und Migranten in die EU strömen, bei der Rückführung von Personen ohne Schutzstatus kooperieren, sind auch neue Anreize geplant. Beiträge zur Bekämpfung des Menschenschmuggels könnten finanziell belohnt werden. "Talente-Partnerschaften" sollen die legale Zuwanderung benötigter Arbeitskräfte ermöglichen.
Der neue Vorschlag der EU-Kommission war überfällig. Der Brand im Flüchtlingslager Moria auf Lesbos hat die EU-Politiker wachgerüttelt. Dass Flüchtlinge gemeinsam mit Migranten, die auf der Suche nach besseren Lebensumständen in die EU kamen, monatelang unter prekären Bedingungen und ohne jede Zukunftsaussicht in Zeltlagern ausharren müssen, ist für die EU auch als Wertegemeinschaft nicht länger hinnehmbar. So gesehen wirkt das gelegte Feuer in Moria als Brandbeschleuniger für die EU, endlich auch in der Asylpolitik neue Wege zu beschreiten. Ob die EU-Staaten das neue Modell akzeptieren werden, bleibt noch offen. Aber in einem Punkt sind sich EU-Politiker einig: Die alten Methoden und nationale Alleingänge funktionieren nicht mehr.