Die externen Marketingausgaben der Ärztekammer haben sich in den vergangenen drei Jahren mehr als versiebenfacht.
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Wien. Die Ärztekammer fand in den vergangenen Jahren allerhand Gründe, wogegen es sich aus ihrer Sicht zu demonstrieren lohnte. Da waren die Primärversorgungszentren, die die damalige rot-schwarze Regierung wollte. Der Kammer waren sie allerdings ein Dorn im Auge, weshalb sie 150 Ärzte mobilisierte, um in Wien die "Ausrottung des Hausarztes" auszurufen. Sie schürte mit Broschüren und Postern in jeder Ordination Angst gegen die elektronische Gesundheitsakte Elga, die nicht nur den Patienten gläsern machen solle, sondern auch die Arbeit der Ärzte, was der Stand vehement ablehnt. Zuletzt erzürnte die Kammer der Vorrang der Kassenfusion, während bundesweit die Kassenärzte ausgehen. Sie wirbelte auch wegen der möglichen Zerschlagung der Allgemeinen Unfallversicherung (AUVA) samt ihrer Spitäler ordentlich Staub auf. "Die Regierung schadet unserer Gesundheit", rief Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres mit einem Megafon in der Hand 300 Demonstranten und Gewerkschaftern vor dem Lorenz-Böhler-Unfallkrankenhaus in Wien entgegen.
Doch bei Worten allein bleibt es bei der Ärztekammer selten. Um die Macht der Kammer mit ihren mehr als 40.000 Mitgliedern zu verdeutlichen, werden Werbetafeln an prominenten Autobahnausfahrten gemietet oder riesige Plakate auf der Votivkirche in der Wiener Innenstadt gehisst, auf denen sie der Regierung die Meinung reinsagt ("Ändert das Primärversorgungsgesetz").
Die ärztliche Diagnose der hiesigen Politik lässt sich der Stand einiges kosten. In den vergangenen drei Jahren hat die Bundes-Ärztekammer ihre Ausgaben für zugekauftes Marketing mehr als versiebenfacht. Konkret von 352.279 Euro (2014) auf 2.680.013 Euro im vergangenen Jahr. Das geht aus einer parlamentarischen Anfrage des Neos-Abgeordneten Gerald Loacker hervor. Abgefragt hat die Zahlen das Gesundheitsressort. Bezahlt wird der Protest fast zur Gänze von den Mitgliedern, also allen Ärzten in Österreich, die der Ärztekammer über die verpflichtende Kammerumlage ein ansehnliches Budget bereitstellen, das allein in Wien mit mehr als 17 Millionen Euro in den Büchern steht. "Normalbürgerliche" Steuereuros fließen im Unterschied zur Arbeiter- und Wirtschaftskammer nicht in die Standesvertretung.
Im vergangenen Jahr sei einiges los gewesen in der Gesundheitspolitik, sagt Szekeres, seit Juni 2017 Ärztekammerpräsident. Viele Reformen der Regierung wären gegen das Gesundheitswesen gelaufen, wogegen sich die Ärztekammer positionieren musste. "Es ist immer in Diskussion, dass man einspart und Leistungen zurückfährt", sagt Szekeres. "Dagegen wollten wir öffentlich aufmerksam machen, was auch gelungen ist." Die Unfallspitäler stehen noch. Aber was steckt hinter Summen einzelner PR- und Marketing-Partner, die mehr als 700.000 gekostet haben sollen? Genau kann Szekeres auch nicht benennen, welche Kampagnen genau so teuer waren. Es könnte jene sein, für die ein riesiges Plakat auf der Votivkirche angebracht wurde. Aber auch eine andere. Nur so viel: "Bei diesen Summen sind Inserate, Videobeiträge und Plakate dabei, um die sich die Agenturen kümmern", sagt Szekeres. Die beauftragten PR-Firmen allein würden nicht viel kosten, eine halbe Seite in der Kronen Zeitung sei "sau teuer", ebenso eine Plakatkampagne. Letztere sei nicht "unter ein paar 100.000 Euro" zu bekommen.
Mehr Aufgaben, mehr Ausgaben
Im heurigen Jahr hätte die Ärztekammer weniger für externes Marketing ausgegeben, sagt Szekeres. Wie viel weniger, kann er allerdings nicht beziffern. "Ich habe die Zahlen nicht bei mir."
Auch gesamt betrachtet nahm die Ärztekammer mehr Geld in die Hand. Die Gesamtausgaben stiegen zehnmal so stark wie die Inflation, die bei vier Prozent liegt, sie schnellten von rund 11,2 Millionen Euro auf 15,3 Millionen Euro in die Höhe. Wesentlich für den Anstieg ist der Verwaltungsposten, der sich im selben Zeitraum auf rund 5,5 Millionen Euro nahezu verdoppelte. Auch mehr Personal wurde angestellt (51 Mitarbeiter 2014/71 Mitarbeiter 2017).
Szekeres erklärt das damit, dass die Ärztekammer in den vergangenen Jahren weitere Aufgaben übernommen habe und deshalb mehr Personal brauche. Er nennt als Beispiel die Bewilligung von Ausbildungsstellen, die neue Facharztprüfung, die organisiert und geprüft werden müsse oder die Durchführung von Disziplinarverfahren, die zugenommen hätten, seit sich Ärzte verpflichtend fortbilden müssen. Auch die Ärzteliste müsse strenger kontrolliert werden, da mehr ausländische Ärzte nach Österreich kommen würden. Konkret werde demnach beispielsweise überprüft, ob die Kollegen überhaupt ein Studium absolviert haben und Deutsch auf Maturaniveau können, um sich mit den Patienten verständigen zu können. "Wenn es die Kammer nicht gäbe, muss das alles das Ministerium machen und die Allgemeinheit zahlen, sofern man es will", sagt Szekeres. "Das wird aber nicht billiger, sondern eher teurer."
Die letzten Sonderpensionen
Die Neos kritisieren an den vorliegenden Zahlen auch das Durchschnittsgehalt der Kammer-Funktionäre, das sich in den vergangenen Jahren im Durchschnitt bei knapp 5000 Euro brutto 14-mal im Jahr einpendelte und zuletzt auf knapp 4100 Euro brutto gesunken ist, aber auch nur, weil Mitarbeiter für weniger Geld eingestellt wurden, so die pinke Analyse. "Die Älteren oder die, die schon länger da sind, verdienen mehr, die jüngere Generation steigt mit niedrigeren Gehältern ein, damit lässt sich der Rückgang mitunter erklären", sagt Szekeres. "Und wir haben mehr Teilbeschäftigte." Gemeinsam mit der Unternehmensberatung Price Waterhouse Cooper seien "Gehaltsbänder" erstellt worden, damit die Kammermitarbeiter - mitunter auch Juristen, Buchhalter und Pressemitarbeiter - in etwa so viel verdienen wie in ähnlichen Branchen üblich. Das müsse nicht zwingend bedeuten, dass die Gehälter niedriger wurden, so der Präsident. "Ich glaube aber auch nicht, dass wir überbezahlen." Die meisten seien Akademiker und auf ihrem Gebiet hoch spezialisiert. Durchschnittlich 4000 Euro brutto seien "nicht zu viel".
Was es in der Ärztekammer auch noch gibt, sind sieben Sonderpensionsbezieher, von denen sechs mehr verdienen als die ASVG-Höchstpension, demnach durchschnittlich 4400 Euro brutto 14 mal im Jahr. "Sonderpensionen gibt es bei uns seit Jahren nicht mehr", sagt Szekeres. Aber es würden noch Funktionäre leben, die sie bekommen. "Das wird aber immer weniger".