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Auf diese Ökonomen hört Österreich

Von Anja Stegmaier

Wirtschaft

Führende heimische Wirtschaftsforschungsinstitute besetzen die Chefsessel neu - ein Überblick, wer in Sachen Wirtschaft hierzulande Namen und Einfluss hat.


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Der Ökonom Gabriel Felbermayr, derzeit Präsident des deutschen Institut für Weltwirtschaft (IfW), wird neuer Chef des Österreichischen Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo). Das Wifo gilt als eines der wichtigsten heimische Forschungsinstitute, das neben Konjunkturprognosen laufend Publikationen zu wichtigen wirtschaftspolitischen Fragen veröffentlicht. Auch das Institut für Höhere Studien (IHS) könnte bald einen neuen Leiter, suchen, nachdem der frühere - Martin Kocher - Arbeitsminister geworden ist. Neben Felbermayr geben diese sechs Ökonomen aktuell den Ton in der Wirtschaftsforschung an.

Monika Köppl-Turyna

ist seit November 2020 die Leiterin des industrienahen Wirtschaftsforschungsinstituts Eco Austria. Zuvor war sie Ökonomin beim wirtschaftsliberalen Thinktank Agenda Austria. Köppl-Turyna, sprach sich kürzlich bei der Reform der Kurzarbeit für Anreize für mehr geleistete Arbeitsstunden und Weiterbildung aus. Die Politik sollte vor allem Maßnahmen setzen, damit Arbeitslose schnell wieder in Beschäftigung kommen, so die 36-Jährige. Auch bei den Steuerstundungen und Coronahilfen plädiert Köppl-Turyna für einen stufenweisen Ausstieg. Sie ist auch beim Budget-Expertenhearing des Nationalrates dabei.

Die Ökonomin promovierte 2011 an der Universität Wien und war von 2011 bis 2015 Assistenzprofessorin am Lisbon University Institute. Seit 2015 ist sie Universitätslektorin an der Wirtschaftsuniversität Wien und Fellow der Global Labour Organisation. Darüber hinaus ist sie seit 2017 Vorstandsmitglied der European Public Choice Society. Köppl-Turyna habilitierte sich im Sommer 2020 an der Johannes Kepler Universität Linz. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen öffentliche Finanzen, Verteilungsfragen, Steuerwettbewerb und Fragen der politischen Ökonomie.

Robert Holzmann

© Collage WZ

ist Gouverneur der österreichischen Notenbank. Der gebürtige Steirer wurde hierfür von der FPÖ nominiert. Der 72-jährige Wirtschaftsprofessor war zuvor bei der OECD und IWF sowie von 1997 bis 2011 in verschiedenen Positionen bei der Weltbank in Washington, D.C. tätig.

Für Europas Wirtschaft hält er es für wichtig, "eine neue Gründerzeit zu schaffen", dabei seien die Digitalisierung und die Notwendigkeit eines ökologischen Umbaus der Wirtschaft von zentraler Bedeutung. "Die zweite Möglichkeit, die wir als alternde Gesellschaften haben, ist, die Älteren länger im Arbeitsmarkt zu halten", plädiert Holzmann für ein höheres Pensionsalter. "Auch dies ist ein Weg, um zu einem höheren Gleichgewichtszinssatz zu gelangen und die öffentlichen Finanzen zu entlasten. Beides ist notwendig, liegt aber außerhalb der Zuständigkeit und Verantwortung der EZB."

Gabriel Felbermayr

ist derzeit Präsident des deutschen Institut für Weltwirtschaft (IfW), wird im Sommer aber neuer Chef des Wifo. Der gebürtige Oberösterreicher löst damit den abtretenden Wifo-Leiter Christoph Badelt (70) ab. Der 44-jährige Ökonom ist seit März 2019 am Kieler IfW tätig, davor war er jahrelang am Münchner ifo-Institut. Die Globalisierung und der Handel waren seit jeher Schwerpunkte Felbermayrs, der sich schon früh auf das Thema Außenhandel verlegt hatte. Den Brexit kritisierte er als wirtschaftliche "Lose-Lose-Situation" für die Briten und die EU. Zu Corona-Restriktionen äußerte er sich wiederholt skeptisch. Hilfen für marode Betriebe sah Felbermayr auch kritisch, da dies den Strukturwandel behindere. Zum EU-Wiederaufbauprogramm befürchtete er, dass "die Milliarden zum Stopfen von Budgetlöchern verwendet werden". Um die Wirtschaft nach Corona wieder voranzubringen, brauche es Strukturreformen - mit neuen oder höheren Steuern seien die Löcher in den Staatsfinanzen nicht zu stopfen, betonte er.

Felbermayr hat sein Volkswirtschaftsstudium an der Johannes Kepler Universität in Linz im Jahr 2000 mit Auszeichnung abgeschlossen. Danach forschte er am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz, wo er 2004 promovierte. 2008 habilitierte sich Felbermayr an der Eberhard Karls Universität Tübingen und folgte einem Ruf als Volkswirtschaftsprofessor an der Uni Hohenheim, mit Schwerpunkt auf Außenwirtschaftsthemen. 2010 ging Felbermayr an das ifo Institut für Wirtschaftsforschung an der Ludwig-Maximilians-Uni in München; ab April 2011 hatte er dort eine Stiftungsprofessur inne.

Christian Helmenstein

Markus Marterbauer.
© AK/lukasbeck

ist seit 2004 Chefökonom der Industriellenvereingung, Leiter des Economica Instituts für Wirtschaftsforschung, Gründer und Leiter des Cognion Forschungsverbundes unabhängiger wirtschafts- und sozialwissenschaftlicher Forschungsinstitute sowie Vorsitzender der Businesseurope Regional Policy Working Group. Außerdem lehrt der Volkswirt an der Privatuniversität Schloss Seeburg. Der gebürtige Deutsche ist Mitglied des Covid-19 Future Operations Board der Präsidentschaftskanzlei beziehungsweise. des Bundeskanzleramtes.

Die Industriellenvereinigung (IV) hat in der Krise alle Firmen zur Stärkung ihrer digitalen Agenden aufgerufen. Das sei notwendig, um die Wettbewerbsfähigkeit aufrecht zu erhalten, die Krisenresilienz zu stärken und schlussendlich neue Arbeitsplätze zu schaffen. Sowohl die Führungsetagen, die Mitarbeiter als auch die gesamte Gesellschaft sind in dem Zusammenhang aufgerufen, die digitalen Kompetenzen zu stärken. Die Nullzinsen bieten laut dem Ökonomen künftig die Chance auf kühne Zukunftsprojekte.

Margit Schratzenstaller-Altzinger

Margit Schratzenstaller-Altzinger.
© Foto: Wifo/Alexander Müller

forscht beim Wifo vor allem zu den Themen Budget- und Steuerpolitik Österreichs und der EU, Digitalisierung, Fiskalischer Föderalismus sowie Familienpolitik und Gender Budgeting und ist auch Teil der von Leonore Gewessler (Umwelt, Grüne) und Heinz Faßmann (Wissenschaft, ÖVP) gestarteten Dialogrunde, in der Experten aus Bereichen wie Wirtschaft und Klimaforschung Wege aus der Corona-Krise ergründen.

Die Steuerexpertin spricht sich etwa für höhere Umweltsteuern inklusive einer CO2-Steuer aus. Zusätzlich rät Schratzenstaller der Regierung, umweltschädliche Steuerausnahmen zu durchforsten - etwa das Dieselprivileg oder die Pendlerförderung; etwa um Arbeits- und Lohnnebenkosten zu entlasten. Im Juni 2020 wurde die Budgetexpertin als neues Mitglied im Fiskalrat bestimmt. Er überwacht die EU-Budgetregeln in Österreich und wird von Regierung und Sozialpartnern beschickt. Die 52-Jährige ist auch Mitglied der ÖGfE (Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik), Lehrbeauftragte an der Universität Wien, Mitglied im Kuratorium des Europäischen Forum Alpbach und des KDZ (Zentrum für Verwaltungsforschung).

Markus Marterbauer

Monika Köppl-Turyna.
© Eco Austria/Weinwurm

ist Chefökonom der Arbeiterkammer (AK) und wird etwa von der SPÖ für Expertenhearings des Nationalrats nominiert, der über das Budget berät. Seine Arbeitsschwerpunkte sind gesamtwirtschaftliche Entwicklungen in Österreich und international, Budgetentwicklung und Fiskalpolitik in Österreich und der EU, Einkommensverteilung und Umverteilung sowie postkeynesianische Makroökonomie. Der 56-Jährige ist außerdem Lektor an der Wirtschaftsuniversität Wien und der Universität Wien, Vizepräsident des Fiskalrates sowie Mitglied des Beirats für Wirtschafts- und Sozialfragen. Seit Juli 2013 leitet er als Vorsitzender den Arbeitskreis Dr. Benedikt Kautsky. Der Arbeitskreis ist eine lose Vereinigung österreichischer sozialdemokratischer Ökonomen. Er galt zeitweilig als "Think tank" und Kaderschmiede des Gewerkschaftsflügels der SPÖ, fungierte aber stets vorrangig als internes Diskussionsforum.

Der Ökonom sprach sich im vergangenen Jahr für eine Staatsbeteiligung der Austrian Airlines und für eine Vermögenssteuer aus. In der Corona-Krise wünscht sich Marterbauer für den Tourismus einen Strukturwandel mit besseren Arbeitsbedingungen.

Stephan Schulmeister

ist Ökonom und Jurist und externer Lektor an der Universität Wien. Von 1972 bis 2012 war der heute 73-Jährige wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Wifo. Schulmeister übt in seinen zahlreichen Publikationen eine dezidierte Kritik am Neoliberalismus und fordert Alternativvorschläge wie einen gesamteuropäischen New Deal. Er sieht in der aktuellen Krise eine Chance für die Stärkung des Sozialstaats und die Umsetzung von Maßnahmen, die nach der Finanzkrise von 2008 verschlafen wurden.

Besonders deutlich werde nun die Wichtigkeit eines guten Gesundheitssystems und der sozialen Absicherung durch den Staat. Für Länder wie die USA befürchtet Schulmeister diesbezüglich "das Schlimmste". Eine Mischung aus Hoffnung und Prognose sei die Erkenntnis, dass gemeinschaftliche europäische Lösungen mehr bringen als nationale Alleingänge und es zu einer "Renaissance des europäischen Sozialmodells" kommt.