Rechtsschutz in der Verwaltung wird auf völlig neue Beine gestellt.
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Wien. Mit dem Bundesverwaltungsgericht wird am 1. Jänner 2014 das größte Gericht Österreichs seine Tätigkeit aufnehmen. Dessen zukünftiger Präsident, Harald Perl, rechnet mit etwa 150 neuen Verfahren pro Tag. Das ergibt 40.000 Verfahren im Jahr in sämtlichen Angelegenheiten der Verwaltung - von Asyl bis Zivildienst.
"Die Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit ist eines der größten Rechtsstaatsprojekte der Zweiten Republik", betont Staatssekretär Josef Ostermayer. Der Rechtsschutz in der Verwaltung wird auf völlig neue Beine gestellt: Wer künftig nicht mit einer verwaltungsbehördlichen Entscheidung einverstanden ist, kann auf direktem Weg ein unabhängiges Gericht anrufen und muss nicht den Instanzenweg beschreiten.
Sonderbehörden werden aufgelöst
Die Pressesprecherin des Bundesverwaltungsgerichts, Dagmar Strobel-Langpaul, nennt ein Beispiel: Wer derzeit etwa den Bescheid einer Regionalstelle des Arbeitsmarktservice (AMS) beeinspruchen will, muss sich an die zuständige AMS-Landesgeschäftsstelle wenden, wo auch die Entscheidung über die Berufung fällt. "In Zukunft kann man direkt das unabhängige Bundesverwaltungsgericht anrufen", so Strobel-Langpaul. Oder: Eine Investorengruppe will einen Golfplatz bauen, nach Überprüfung der Umweltverträglichkeit stellt die Landesregierung einen positiven Bescheid aus. Anrainer oder Gemeinden, die den Bescheid bekämpfen wollen, müssen sich derzeit noch an den Umweltsenat wenden. Dieser wird - wie zahlreiche andere Sonderbehörden - aufgelöst, Beschwerden können direkt an das Bundesverwaltungsgericht gerichtet werden.
Auch im Schulwesen wird die Reform umgesetzt: Schüler und Eltern müssen gegen Bescheide künftig direkt beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde einreichen, der bisherige innerbehördliche Instanzenzug (Bezirks- und Landesschulrat) wird abgeschafft.
Zurzeit werden die Räumlichkeiten am Wiener Hauptsitz des neuen Gerichts im ehemaligen Finanzamt in Erdberg adaptiert, wo rund 370 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig sein werden. 40 Verhandlungssäle sind in Planung. Inklusive der Außenstellen in Graz, Linz und Innsbruck wird das neue Bundesgericht 450 Personen beschäftigen, darunter 168 Richterinnen und Richter.
Oberste Instanz in allen Verwaltungsverfahren bleibt der Verwaltungsgerichtshof (VwGH). Er ist laut Bundesverfassung "zur Sicherung der Gesetzmäßigkeit der gesamten öffentlichen Verwaltung berufen. Er überprüft die Gesetzmäßigkeit von Bescheiden und bietet Rechtsschutz gegen die Untätigkeit der Verwaltung."
Wissen: Das Bundesverwaltungsgericht
Nach jahrzehntelangen Bestrebungen einer großangelegten Verwaltungsreform in Österreich wurden mit der einstimmig im Parlament beschlossenen Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 (BGBl. I Nr. 51/2012) neun Landesverwaltungsgerichte sowie auf Bundesebene das Bundesverwaltungsgericht und das Bundesfinanzgericht eingerichtet. Es gehen nicht nur alle Rechtsmittelverfahren auf die künftigen Verwaltungsgerichte über, sondern es werden auch mehr als 120 Sonderbehörden auf Bundes- und Landesebene aufgelöst. Ankerpunkt des Bundesverwaltungsgerichtes ist der Asylgerichtshof, auf dessen heute schon bestehenden gerichtlichen Strukturen aufgebaut werden kann. Neben diesem wird als zweiter Fixstarter das Bundesvergabeamt in dem neuen Gericht aufgehen.