"Am Anfang hatte ich eine 70-Stunden-Woche. Das hatte den Vorteil, dass ich das wenige Geld, das ich verdient habe, erst gar nicht ausgeben konnte." Robert Giendl ist seit zehn Jahren selbstständiger Bandagist mit zwei Verkaufsstandorten, einer Werkstatt und sieben Angestellten. Ob er den Schritt in die Selbstständigkeit je bereute? "Nie!", sagt er im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". "Ich wollte niemanden, der mir sagt, was ich tun muss. Natürlich macht man, was der Kunde mag, aber ich wollte trotzdem selbst entscheiden." Und das mit dem Geld und der Zeit hat sich auch gebessert.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 20 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Mit 22 brach Giendl sein Medizinstudium ab. Im sogenannten zweiten Bildungsweg (über 21 Jahre, abgeschlossene Lehre oder Matura) trat er nach einem Jahr Bandagistenausbildung zur Gesellenprüfung an. Als er die Möglichkeit erhielt, in Korneuburg seinen eigenen Betrieb zu eröffnen, überlegte er eine Woche - und sagte zu. "Ich bin ziemlich unverhofft in die Selbstständigkeit gesprungen", erinnert er sich. Um einen Kassenvertrag zu bekommen, stellte der Bandagist im ersten Jahr, als er noch keinen Meistertitel führte, einen Prokuristen mit Meistertitel an. "Das geht heute nicht mehr. Der Gewerbetreibende muss nun mit 20 Wochenstunden angestellt sein." Rechtliches Wissen und Buchhaltungskenntnisse eignete er sich in einem Unternehmensführerkurs an, denn - so ist Giendl überzeugt - "da sollte man sich schon auskennen."
Der Bandagist ist einer von rund 250.000 Unternehmern in Österreich, die insgesamt 321.000 gemeldete Unternehmen führen. Im vergangenen Jahr wurden 30.300 Unternehmen in Österreich gegründet, rund 28.000 davon überlebten die ersten sechs Monate. Auch immer mehr Frauen wollen "ihr eigener Herr" sein. Am meisten sind Frauen in den Branchen Bekleidung, Frisör und Fußpflege vertreten.
So geht man es an
Rainer Ribing, Bundesgeschäftsführer der "Jungen Wirtschaft" und Leiter des Gründerservice, nennt die wesentlichsten Punkte, um ein Unternehmen zu gründen: "Man muss die Marktsituation berücksichtigen: Macht es Sinn, das 15. italienische Restaurant in einer Straße aufzumachen? Die fachliche Qualifikation ist genauso wichtig wie das betriebswirtschaftliche Know-how und rechtliche Kenntnisse." Universalgenie müsse man keines sein, die gute Idee allein sei dennoch zu wenig.
Gleich, ob man etwa ein nicht protokolliertes (ins Firmenbuch eingetragenes) Einzelunternehmen oder eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GesmbH) gründen möchte: Kein Fehler dürfte es dabei sein, sich an eine Gründungs-, Finanzierungs- und Rechtsberatung zu wenden. "Wenn der Vater kein Steuerberater ist, geht man zur Wirtschaftskammer, wo es tausende Informationsunterlagen gibt", spricht Giendl aus eigener Erfahrung.
Vor zehn Jahren gründete der Bandagist eine GesmbH. "Sollte etwas schief gehen, hat die GesmbH den Vorteil, dass man nicht mit dem Privatvermögen haftet", erläutert Giendl. Nachteil sei, dass man bei der Bank schwerer einen Kredit erhält.
Apropos Geld: Ist es für einen jungen Menschen überhaupt finanziell leistbar, ein Unternehmen zu gründen? Ribing meint dazu: "Seit es das Neugründungsförderungsgesetz gibt, entfallen für Einzelunternehmer Gründungskosten etwa für Stempelmarken. Von Bund und Ländern gibt es außerdem verschiedene Förderungen. Und im IT-Bereich zum Beispiel ist Kapital relativ unwesentlich." Günter Schachner, seit 1999 selbstständiger Softwareentwickler, bestätigt das: "Einen Computer hat heute schon fast jeder zuhause."
Was sind für den studierten Mathematiker und Informatiker nennenswerte Aspekte der Selbstständigkeit? "Einmal gibt es viel Geld, dann wieder nicht. Während sich andere auf den Monatsersten freuen, bedeutet das für mich in erster Linie Abbuchungen." Und sonst? "Eine flexible Zeiteinteilung ist mir wichtig: Ich programmiere ganz gern, wenn andere schlafen gehen, und geh´ ins Bett, wenn andere aufstehen."
http://www.jungewirtschaft.at