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Auf eine Melange in Pjöngjang

Von Luca Faccio

Politik

Nordkoreas Hauptstadt einmal anders: zwischen Wolkenkratzern und Bars.


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Pjöngjang. Die Gruppen deutscher, chinesischer und amerikanischer Touristen, die die Bänke auf dem internationalen Flughafen Sousan besetzen, dürfen nicht täuschen. Sicher, das Lächeln und die Erinnerungsfotos mit Grenzsoldaten sind ein Bild, das bis vor wenigen Jahren dem unvorsichtigen Besucher die sofortige Ausweisung eingebracht hätte. Aber hinter dieser scheinbaren Normalität verbirgt sich ein Land, das noch immer hermetisch abgeschlossen ist, in dem der Informationsfluss noch immer der Zensur unterliegt und die von oben verfügte Ordnung noch immer die gleiche ist: Es gilt zu verhindern, dass "antirevolutionäres und kapitalistisches Material" in den Häusern des nordkoreanischen Volkes zirkuliert.

Zeichen des Kapitalismus

Ein Jahr nach Einsetzung von Kim Jong-un, des "jungen Führers", nach sind die ersten Zeichen des politischen und sozialen Wandels im isoliertesten Land unübersehbar. Auch wenn die letzte Herausforderung an die Welt, eine vor einigen Wochen abgefeuerte Rakete, zeigt, dass Nordkorea immer noch eine ernstliche Bedrohung des Westens bleibt.

Nach 20 Minuten Autofahrt sind die gläsernen Wolkenkratzer, die die neue Skyline der Stadt prägen, die erste Überraschung.

Viele der grauen Wohnbauten des "asiatischen Moskau" wurden abgerissen, erzählt stolz eine der Führerinnen. An ihrem Platz ist am Ufer des Flusses Taedong die neue City entstanden: "In nur 14 Monaten", präzisiert die Begleiterin zufrieden. In den Straßen Pjöngjangs rahmen an jeder Kreuzung eine Gruppe von Fahnen der Arbeiterpartei und Nordkoreas die sechsspurigen Verkehrswege ein. Der Verkehr ist höllisch und die Überquerung der Straßen von einem Gehsteig auf den anderen gleicht einem Lotto-Haupttreffer, trotz der Zebrastreifen, die hier niemand wirklich respektiert. Die Taxis sind noch immer die alten Ladas sowjetischer Bauart, aber auch Mercedes und Toyota fehlen nicht, die noch vor kurzem tabu waren.

Das ist ein Zeichen des steigenden Wohlstands im Land - zumindest für die Nomenklatura. Das Land befindet sich in einer schweren Krise, aber versucht langsame, behutsame Änderungen. Vor dem Geburtshaus Kim Il-sungs protzen einige Mädchen mit Markenhandtaschen - natürlich Fälschungen aus China -, während einige ihrer Freunde am Mobiltelefon tratschen. In Peking, Seoul oder Tokio wären das Szenen der Normalität, waren aber in Pjöngjang noch vor wenigen Jahren undenkbar, als man sich nur in den Parks traf und kaum jemand sich ein Abendessen in einem Restaurant leisten konnte.

Handys, Computer und digitale Fotoapparate waren Symbole des wilden Kapitalismus, des größten Feindes, der unbedingt zu bekämpfen war. Heute sieht man nicht selten Kinder mit T-Shirts, auf denen die Helden Walt Disneys abgebildet sind, oder Heranwachsende in T-Shirts mit japanischen Manga-Comics, wie sie auch Kinder in in London, New York oder Wien tragen.

Überraschenderweise hat in einem Restaurant im Bezirk Chung-guyok sogar die Pizza Einzug gehalten und ganz in der Nähe sind zwei Lokale entstanden, die italienische Menüs wie Lasagne und Spaghetti alla bolognese anbieten.

Und während im imponierenden Ersten-Mai-Stadion die traditionellen Tanz-Spektakel, die die koreanischen Streitkräfte und das Nuklearprogramm glorifizierten, durch Tänze ersetzt wurden, die der landwirtschaftlichen Entwicklung gewidmet sind, passt sich auch das staatliche Fernsehen den neuen Zeiten an und schränkt die Verbreitung der üblichen postsowjetischen Schwarz-Weiß-Filme ein und ersetzt sie durch Telenovelas, die in den Filmstudios von Pjöngjang produziert werden - Liebesgeschichten zwischen einem Arbeiter und einer Bäuerin -, die die nordkoreanischen Mädchen zum Träumen bringen sollen.

"Vater des Vaterlandes"

"Die Landwirtschaft könnte dieses Land vorwärtsbringen", sagt Friedrich Theodor von der UN-Landwirtschaftsorganisation FAO, der sich um Projekte kümmert, die die Boden-Qualität verbessern sollen. Und die Eröffnung kleiner privater Märkte in mehreren Vierteln der Hauptstadt, Marktstände, auf denen die Bauern 30 Prozent ihrer Ernte zu vom Staat festgesetzten Preisen verkaufen können, bestätigt, wie kleine Reformen irgendwie die desaströse Wirtschaft des Landes verbessern können.

Dann ist da der "junge Führer" Kim Jong-un, in der staatlichen Propaganda verehrt wie der Vater und der Großvater, der als Vater des Vaterlandes präsentiert wird, der aber, wie manche Beobachter meinen, dem Westen gegenüber viel offener ist. Der aber gleichzeitig mit seinen Handlungen der Welt zeigt, dass er in einer Linie mit seinen Vorgängern steht. Sicher ist sein Stil ein ganz anderer als der der alten Führer: Er besucht Wohnungen und trinkt Alkohol als Zeichen der Freundschaft mit seinem Volk, besucht Konzerte und kündigt an, dass er bald erlauben wird, dass das Internet die Grenzen des Landes überschreiten kann, wenn auch mit großen Einschränkungen - sprich: Zensur - und nur auf den Computern einiger Universitäten, wo die Studenten schon seit einiger Zeit Zugang zum Netz haben, um Forschung und Studien zu betreiben. Aber in Nordkorea bedeuten solche kleinen Schritte schon etwas.

Kleine Zeichen eines zarten Fortschritts - wenn nicht wieder ein Raketentest die Welt verstört.

Signale wie das Wiener Café, das auf dem Kim-Il-sung-Platz eröffnet wurde, neben dem Juche-Turm am Taedong-Fluss, im Erdgeschoß eines aus grauem Granit erbauten Wohnhauses. Die Eröffnung einer neuen Bar ist eine jener Nachrichten, die nicht einmal eine Zeile in einem Provinzblatt wert sind. Aber hier in Pjöngjang ist das eine bedeutende Sache. Sie erzählt von einer Wirtschaft, die sich der Welt öffnen will. Die sich aber "leider" einer Außenpolitik gegenübersieht, die von "offener Feindschaft" geprägt ist. Der Wandel in Nordkorea ist noch ein langer und steiniger Weg.