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Auf einem überlegenen Erfolgskurs

Von Anton Kausel

Analysen
Die Pensionen steigen seit längerem nur mit der Inflationsrate, die Aktivbezüge zusätzlich hingegen mit einem realen Produktivitätsbonus. Foto: bilderbox

Neun Argumente gegen den AustroMasochismus. | Preisstabilität ist langfristig eine Erfolgsstory. | Wien. Das höchste allgemeine Wohlstandsniveau aller Zeiten und die beste internationale Spitzenposition Österreichs seit Maria Theresia genügen offenbar nicht, um den angeborenen Austro-Masochismus und der gezielten Abwertung der EU-Integration das Wasser abzugraben - obwohl alle kritischen Einwände leicht zu widerlegen sind.


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Erstens war unser Wirtschaftswachstum seit dem Beitritt 1995 mit 2,0 Prozent je Einwohner stärker als jenes der EU-15 mit 1,8 Prozent pro Kopf. Es hält auf Pro-Kopf-Basis sogar Schritt mit den expansiven USA, die nun ihre schwindende Dynamik mangels eigener Sparkraft nur noch durch ungedeckte Kapitalspritzen aus Asien finanzieren können.

Vollbeschäftigung

Zweitens hat sich die Beschäftigungslage so stark verbessert, dass sich die hohe Erwerbsquote von 71 Prozent und die niedrige Arbeitslosenrate von zuletzt 4,3 Prozent nach EU-Berechnung (6,2 Prozent im Jahresschnitt nach nationaler Berechnung) weltweit sehen lassen kann. Die Inländer liegen mit 3,5 Prozent sogar auf Vollbeschäftigungsniveau.

Außerdem übertrifft die Qualität unserer Arbeitslage die Quantität. Etwa 95 Prozent unserer registrierten Arbeitslosen sind nur etwa drei Monate auf Stellensuche, sie wurden durch den rasanten Strukturwandel unserer Wirtschaft kurzfristig freigesetzt.

Drittens ist die erst kürzlich ins Gerede gekommene Preisstabilität langfristig eine echte Erfolgsstory. Seit dem EU-Beitritt hat sich die Jahres-Inflationsrate von 1,8 Prozent gegenüber früher fast halbiert und damit die frühere Preis-Lohnspirale abgelöst.

Außerdem wurde die EU mit 2,1 Prozent und die USA mit 2,7 Prozent erheblich unterboten. Globalen Preissprüngen auf den Weltmärkten für Energie und Rohstoffe sind die EU und Österreich trotz EuroStärke ausgeliefert.

Viertens: Die dank hoher Produktivität und dem Startvorteil einer nahezu optimalen Sozialpartnerschaft garantierte Wettbewerbsstärke unserer Wirtschaft kulminiert in einer besonders starken Leistungsbilanz. Seit 1995 hat sich diese in Österreich von minus 2,6 Prozent des BIP auf plus 3,4 Prozent (2007) dramatisch aktiviert. Damit halten wir beim relativ höchsten Aktivum seit der industriellen Revolution.

Die EU schaffte demgegenüber nur leicht positive Bilanzen, die USA schneidet infolge sinkender Wettbewerbsfähigkeit mit einem Rekorddefizit von 7 Prozent des BIP extrem schlecht ab.

Fünftens: Auch die Entwicklung der Staatsfinanzen spricht eindeutig für Österreich und die EU. Ganz im Sinne der Maastricht-Kriterien verbessert Österreich sein traditionelles Staatsdefizit trotz sinkender Steuerquote von minus 5,2 Prozent des BIP (1995) auf minimale minus 0,6 Prozent (2007). Die EU schaffte es immerhin von ebenfalls minus 5,2 Prozent auf minus 1,5 Prozent, nur die USA verschlechterte sich von minus 1,3 Prozent auf minus 3 Prozent.

Sechstens: Im ökonomischen Wettbewerb mit der EU-kritischen Schweiz befindet sich Österreich seit dem EU-Beitritt auf einer noch breiteren Überholspur als zuvor.

Siebentens: Auch unsere bemängelte Einkommensverteilung ist erheblich besser als ihr Ruf. Die sinkende Lohnquote am Volkseinkommen und die explodierenden Managerbezüge bedeuten nur die halbe Wahrheit.

Zwischen der Verteilung der persönlichen Bruttoeinkommen und jener der Nettoeinkommen der privaten Haushalte besteht ein gewaltiger Unterschied, weil unser hervorragendes Sozialsystem durch eine kräftige Umverteilung von oben nach unten die Unterschichten stärker begünstigt als die Mittel- und Oberschichten, mit Ausnahme der Spitzenverdiener.

Im Übrigen lukrieren auch einfache Haushalte der Unselbständigen und Pensionisten dank ihrer hohen Sparneigung im wesentlichen Ausmaß auch Anteile an der Gewinnquote (fiktive Mieten für Eigenheime, Zinsen und Dividenden aus Sparvermögen), sowie öffentliche Förderungen und Zuschüsse.

Die reichsten Armen

Die Armutsschwelle ist mit 60 Prozent des mittleren Einkommens so hoch angesetzt, dass sie mit Ausnahme von Norwegen von keinem anderen Land erreicht wird. In den USA ist sie nur halb so hoch wie bei uns. Mit anderen Worten, bei uns leben gewissermaßen die reichsten Armen der ganzen Welt.

Achtens: Nicht zuletzt sind Sorgen über das Pensionssystem unbegründet, solange die Wirtschaft wächst. Die stetig steigende Lebenserwartung wird schon seit zwei Jahrzehnten durch die steigende Produktivität aufgefangen, zumal die Pensionen nur noch mit der Inflationsrate steigen, die Aktivbezüge aber zusätzlich mit einem realen Produktivitätsbonus.

Das führt dazu, dass seit 20 Jahren die Löhne um etwa 10 Prozent stärker steigen als die Pensionen. Zusätzlich kann unser Pensionssystem noch durch steigende Beschäftigung, mäßige Anhebung des Pensionsalters und Reduktion der Invaliditätspensionen auf Dauer garantiert werden.

Neuntens: Auch unser soziales Gesundheitssystem entspricht hohen Anforderungen und gilt international als Vorbild. Die Effizienz kann durch die in zumeist guter Verfassung erreichte hohe Lebenserwartung nachgewiesen werden.

Nur Fußball lässt aus

Summa summarum hat das alte Papstwort von der Insel der Seligen nichts von seiner Berechtigung eingebüßt. Auf der krampfhaften Suche nach negativen Fakten von nationaler Bedeutung wird man nur in einem einzigen Fall fündig: Anlässlich der Fußball-EM sind wir von der Faszination des einstigen Wunderteams mit Sindelar und Co. meilenweit entfernt.

Prof. Dr. Anton Kausel leitete von 1956 bis 1973 die Abteilung Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung und Öffentliche Finanzen im Wifo. Von 1981 bis zur Pensionierung 1984 war er Vizepräsident der Statistik Austria.