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Auf einmal mit Opposition

Von WZ-Korrespondentin Kathrin Lauer

Politik

In Ungarn verlor die Regierungspartei Fidesz überraschend bei der Bürgermeister-Zwischenwahl in Hodmezövásárhely.


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Budapest. Der Schock ist für Zsolt Bayer heftig. "Der Tote hat sich aufgerichtet", schrieb der Journalist, von dem es heißt, er spreche aus, was Ministerpräsident Viktor Orbán denkt, in der Online-Ausgabe der regierungsnahen Zeitung "Magyar Idök". Mit dem auferstandenen Toten meinte Bayer die bisher ohnmächtig wirkende Opposition.

Denn bisher konkurrierende Parteien von links bis rechtsradikal haben mit vereinten Kräften am Sonntag in der Kleinstadt Hodmezövásárhely die Bürgermeisterwahl gewonnen - in einer Hochburg der Regierungspartei Fidesz. Und noch dazu gegen einen Kandidaten, der mit Volldampf von Orbáns Kanzleiminister János Lázár unterstützt worden war, der selbst einst Rathauschef in dem 47.000-Einwohner-Ort war. Auferstanden war auch die Wahlbeteiligung - sie lag mit mehr als 60 Prozent um rund 20 Prozent höher als bei der letzten Kommunalwahl. Orbán kündigte Konsequenzen an: Man werde jetzt "mit verdoppelter Kraft" für den Sieg bei der Parlamentswahl am 8. April kämpfen. Er wolle noch klarer als bisher machen, dass es darum gehe, Ungarn vor Flüchtlingen zu schützen, sagte er - nachdem Fidesz das Thema ohnehin schon bis zum Überdruss auswalzt. Ob er aber wieder die erhoffte Zweidrittelmehrheit bekommt, steht nach dem Ergebnis von Hodmezövásárhely deutlicher als bisher unter Fragezeichen.

57 Prozent für den Parteilosen

Der neue Bürgermeister in dem Ort nahe der serbischen und der rumänischen Grenze heißt Péter Márki-Zay und setzte sich mit rund 57 Prozent haushoch gegen seinen Fidesz-Konkurrenten Zoltán Hegedüs durch, der auf rund 41 Prozent kam. Der 45-jährige Wahlsieger ist parteilos, Vater von sieben Kindern und Wirtschaftswissenschafter. Im Wahlkampf ließ er sich von der wüsten Schmutzkampagne des Fidesz nicht abschrecken. Hartnäckigkeit hatte er schon vorher privat bewiesen: Er hatte seiner Frau, die eigentlich Nonne werden wollte, ganze drei Jahre lang hofiert, bis sie ihm das Jawort gab, erzählte er der Zeitschrift "HVG". Als konservativer Katholik war Márki-Zay auch von Sympathisanten der extrem rechten Jobbik wählbar, zumal er noch dazu mit dieser Partei keine Berührungsängste hat, im Gegenteil. Er wünsche Jobbik "viel Erfolg auf dem Weg zur Volkspartei", sagte er "HVG". Jobbik kam er als Kandidat auch deswegen gelegen, weil diese Partei ihr Image einer wüsten rassistischen Gruppe loswerden will. Ebenso wenig überrascht es, dass Jobbik in Hodmezövásárhely im links-liberalen Spektrum Partner gefunden hat. 2007 hatte Jobbik noch mit der Gründung der paramilitärischen "Ungarischen Garde" Europa erschreckt, jetzt gilt diese Partei für immer mehr Ungarn als salonfähig - sogar für die Philosophin Agnes Heller, die noch vor wenigen Jahren offen antisemitisch angegriffen wurde. Sie plädiert für eine Koalition der Linksliberalen mit Jobbik. Nur so, meint Heller, könne Orbán gestürzt werden. Verwunderlicher als der Schulterschluss der Linksliberalen mit Jobbik ist, dass die Demokraten nun anscheinend endlich einsehen, dass sie sich untereinander vertragen müssen.

Zur Koalition für Márki-Zay gehörten ausgewiesene bisherige Feinde - etwa die schwächelnden Sozialisten (MSZP) und die Kleinpartei DK (Demokratische Koalition) von Ex-Ministerpräsident Ferenc Gyurcsány, der sich im Zorn von den Sozialisten getrennt hatte. Mit im Bündnis gegen Fidesz war neben der kleinen Bürgerrechtspartei Együtt auch die ökoliberale Partei LMP, die bisher die Abneigung für Koalitionen jeder Art geradezu zur Identitätsfrage erhoben hatte.

Baustein der LMP bei ihrer Gründung 2009 war nicht die Opposition gegen den damals ebenfalls oppositionellen Fidesz, sondern gegen Gyurcsány, der bis vor Kurzem noch ihr Hauptfeind war. Die Einigkeit der Oppositionsparteien hat Fidesz mit dem Thema Korruption geliefert: Orbáns Günstlingswirtschaft ist landauf, landab seit langem ein Thema. Eine jüngst vom EU-Kontrollamt Olaf aufgedeckte Korruptionsaffäre betrifft sogar Orbáns Familie direkt: Eine Firma von István Tiborcz, Schwiegersohn des Premiers, soll sich an illegalen Aufträgen für öffentliche Beleuchtung bereichert haben. Der erste Auftrag kam aus Hodmezövásárhely. Der neue Rathauschef Márki-Zay, früher ein Anhänger des Fidesz, hat mit den Korruptionsaffären auch seinen Bruch mit dieser Partei begründet. Jetzt will er die Tiborcz-Verträge veröffentlichen.