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Auf - fast - ewig speichern

Von Heiner Boberski

Wissen
Über die Handschriftenschätze der Vatikanischen Bibliothek wacht auch eine Frau: die gebürtige Oberösterreicherin Christine Maria Grafinger (rechts der Grazer Bischof Egon Kapellari).
© © oskar hoeher

Moderne Technologie, geheimes Archiv - der Vatikan macht wieder von sich reden.


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Wien. An der Vatikanischen Apostolischen Bibliothek, so der volle Name der imposanten Büchersammlung der römisch-katholischen Kirchenzentrale, hat ein wichtiges Projekt begonnen: Vatikan-Bibliothekare und Astrophysiker der europäischen Weltraumbehörde ESA scannen einen Teil der wertvollen Bestände ein und verwenden dafür eine für die Weltraumforschung entwickelte Bildbearbeitungs- und Archivierungssoftware namens Fits (flexible image transportation format), die so gestaltet ist, dass das digitale Format der gespeicherten Inhalte nicht veralten kann. Fits wurde in den 1970er Jahren von Wissenschaftern der amerikanischen Raumfahrtbehörde Nasa gemeinsam mit ESA-Forschern für die Radioastronomie konzipiert und dient unter anderem zur Speicherung von Bildern, die etwa das Hubble Weltraumteleskop oder die Europäische Südsternwarte (ESO) aufgenommen haben. Da die rasante Entwicklung der modernen Technologien häufig das Problem mit sich bringt, dass viele alte Daten schon nach wenigen Jahren von neuen Programmen nicht mehr verarbeitet werden können, entschied man sich im Vatikan nach langen Testphasen mit anderen Systemen für Fits.

Luciano Ammenti, der Informatikchef der Vatikanbibliothek, begründete das jüngst gegenüber dem "Deutschlandfunk" so: "Uns wurde klar, dass eine Technologie, dass ein System mit Datenfiles, die auch nach rund 50 Jahren noch ausgezeichnet lesbar sind, ideal für unsere Zwecke ist. Hierbei handelt es sich um das einzige Speichersystem, das so langlebig ist." Auch Pedro Osuna, der Leiter der wissenschaftlichen Archive der ESA, hebt diesen Vorteil hervor: "Ein Programm, das heutige Fits-Daten lesen kann, kann auch welche von vor zwanzig Jahren lesen. Fits ist grundsätzlich rückwärts kompatibel."

Fits sei "speziell für astronomische Bilder geeignet", man könne zum Beispiel im Bildheader auch Koordinatensysteme unterbringen, erklärt Bettina Kann, die Leiterin der Hauptabteilung Digitale Bibliothek der Österreichischen Nationalbibliothek, die bewusst einen anderen Weg gegangen ist: "Wir verwenden für die Digitalisierung von Büchern und Manuskripten und für die Langzeitarchivierung unserer wertvollsten Bestände Tiff, von dem wir uns auch eine entsprechend lange Verfügbarkeit erwarten."

Ausstellung kostbarer historischer Dokumente

Die Vatikan-Bibliothek enthält rund zwei Millionen Bücher und Manuskripte, darunter mehr als 150.000 Handschriften-Bände aus der Zeit vor der Erfindung der Druckerpresse. Einige der Schriften sind 1800 Jahre alt. In den nächsten zehn Jahren sollen rund 80.000 Handschriften mit etwa 40 Millionen Seiten mit einem Speicheraufwand von etwa 45 Millionen Gigabyte erfasst werden. Sponsoren tragen die Kosten von circa 50 Millionen Euro. Diese wären bei Tiff viel höher ausgefallen, was wohl neben der Langlebigkeit des Systems dafür den Ausschlag gab, dass sich der Vatikan für Fits entschieden hat.

Nicht nur die Bibliothek, auch das Geheimarchiv im Vatikan birgt Kostbarkeiten. 100 handverlesene Dokumente daraus sind ab 1. März in Rom zu sehen - zum Teil erstmals in der Öffentlichkeit. Zu den historischen Schätzen zählt etwa der Eintrag zur Bulle, mit der Martin Luther von Papst Leo X. im Jahr 1521 gebannt wurde. Weiters werden Akten aus dem Prozess gegen Galileo Galilei sowie ein Brief englischer Parlamentarier an Papst Klemens VII. mit der Bitte um eine Annullierung der Ehe König Heinrichs VIII. zu sehen sein. Die Ausstellung mit dem Titel "Lux in arcana" soll ihre Pforten bis zum 9. September geöffnet haben.