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Auf getrennten Wegen zum gleichen Ziel

Von Martyna Czarnowska

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Serbien und der Kosovo sind nicht voneinander lösbar - aber nicht als Staatengebilde, sondern bei ihrer Annäherung an die Europäische Union.


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So hochrangig besetzt ist die Gesprächsrunde nur am Anfang. Wenn am Dienstag die Beitrittsverhandlungen Serbiens mit der Europäischen Union starten, reist sogar der Premierminister nach Brüssel. Ivica Dacic wird an der Spitze der Delegation stehen, der auch mehrere Minister angehören. Doch das ist nur die mehr oder weniger feierliche Eröffnung der Gespräche, die sich über mehrere Jahre ziehen werden. In rund drei Dutzend Verhandlungskapiteln wird über die Regeln zu Landwirtschaft, Justiz oder Wirtschaftspolitik debattiert, die das künftige EU-Mitglied befolgen muss. Das meiste wird in den jeweiligen Teams auf Beamtenebene beraten.

Der offizielle Start, auf den Belgrad schon lange gewartet hat, wird den serbischen Politikern dennoch Grund zu Jubelmeldungen geben. Dabei räumen ihre Landsleute etwas anderem eine höhere Bedeutung ein. Das geht zumindest aus einer Umfrage hervor, die die Tageszeitung "Politika" veröffentlicht hat. Auf der Liste der wichtigsten Ereignisse des Vorjahres landete die EU-Entscheidung, Belgrad den lang ersehnten Termin für den Gesprächsbeginn zu geben, erst auf dem sechsten Platz. An der Spitze aber stand eine Vereinbarung Serbiens mit dem Kosovo.

Die EU-Annäherung Belgrads und Pristinas ist freilich kaum losgelöst voneinander denkbar. Für Serbien war eine Normalisierung der Beziehungen zu seiner ehemaligen Provinz eine Voraussetzung - egal, ob es die Unabhängigkeit des Kosovo anerkennt oder nicht. Die wird ja nicht einmal von allen EU-Mitgliedern akzeptiert. Unter diesen fünf findet sich Griechenland, das derzeit den EU-Vorsitz innehat. Das ist weniger einer Nähe zur ebenfalls orthodoxen Kirche in Serbien geschuldet als der Solidarität mit dem geteilten Zypern. Dort wiederum lehnen die griechischen Zyprioten die Sezession des großteils von türkischen Zyprioten bewohnten Nordens ab.

Dass Athen den Forderungen - etwa aus dem Europäischen Parlament - folgt und den Kosovo bald anerkennt, ist daher nicht absehbar. Dennoch erwarten EU-Diplomaten keine zusätzlichen Blockaden, die vom Vorsitzland ausgehen. Zumal auch Serbiens Premier selbst erst vor wenigen Tagen betont hat, wie wichtig die nachbarschaftliche Kooperation mit Pristina sei.

Doch auch für den Kosovo steht viel auf dem Spiel. Das wirtschaftlich schwer angeschlagene Land, in dem mehr als ein Drittel der Bevölkerung keinen Job hat, erhofft sich von der EU nicht zuletzt ökonomische Hilfe. Auch eine Demokratisierung des Staates können sich viele ohne Druck von außen kaum vorstellen. Doch was eine Politikerin als "größte und höchste Priorität" bezeichnete, können wohl die meisten unterschreiben. Für Europaministerin Vlora Citaku ist es die Abschaffung der Visumpflicht für Reisen in die EU. Eine Entscheidung dazu wünscht sie sich noch heuer.

Die Kosovaren sind mittlerweile die letzten Bürger eines Westbalkan-Landes, die in ihrem Pass noch einen solchen Sichtvermerk brauchen. Von der Auswanderung hielt das etliche jedoch nicht ab. Bis zu 800.000 Kosovaren leben und arbeiten in Westeuropa.