Zum Hauptinhalt springen

Auf gleicher Augenhöhe

Von Rosa Eder-Kornfeld

Wirtschaft

Managementtrainerin Andrea Lienhart über Respekt im Job.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien.

Ein respektvolles Miteinander stärkt den Teamgeist.
© © pressmaster - Fotolia

Die Szene wirkt befremdlich: Ein Mann kriecht als überdimensionale Schnecke durch ein Großraumbüro. "Na, wie war’s beim Chef?", fragt ihn die Kollegin. - Der bedauernswerte Angestellte, Hauptprotagonist in einem TV-Spot der Arbeiterkammer, ist kein Einzelfall.

Ob jemand vom Vorgesetzten zur Schnecke oder zur Sau oder einfach nur fertiggemacht, zusammengestaucht oder - etwas harmloser - abgeschasselt, nicht ernst genommen oder ignoriert wird: In allen Fällen ist der Mangel an Respekt dem Mitarbeiter gegenüber der kleinste gemeinsame Nenner.

"Dabei steht ein Chef, der einen mit Respekt behandelt, ganz oben auf der Wunschliste der Arbeitnehmer - gleich nach dem Wunsch nach einer möglichst interessanten Arbeit. Faktoren wie Bezahlung und Aufstiegsmöglichkeiten sind deutlich weniger wichtig", sagt Managementtrainerin, Coach und Buchautorin ("Respekt im Job") Andrea Lienhart im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".

Sie beruft sich dabei auf eine Studie der Bonner Unternehmensberatung Deep White und dem Institut für Medien- und Kommunikationsmanagement der Universität St. Gallen. "In derselben Studie kam aber auch heraus, dass diejenigen, die sich von ihrem Chef nicht respektiert fühlen, ihn im Gegenzug auch nicht respektieren", betont Lienhart. "Oder umgekehrt: Respekt ruft Respekt hervor."

Auch mal die Perspektive wechseln

In ihrer Definition bedeutet Respekt, dem anderen auf gleicher Augenhöhe zu begegnen. "Früher was das ja anders. Da waren der Herr Lehrer oder der Polizist zwar Respektspersonen, das begründete sich aber lediglich auf deren Status." Heute gehe es darum, den anderen als Menschen zu achten, egal welchen Status, welche Herkunft, welches Geschlecht, welche Bildung oder welches Alter er oder sie habe.

Die eigenen Interessen durchsetzen zu wollen, sei durchaus legitim, allerdings sollte auch die Sichtweise der anderen Seite respektiert werden. Unter dem Motto "Ich bin o.k., du bist o.k. - egal, was uns im Augenblick vielleicht trennen mag" sollte die Meinung des anderen zunächst mit Achtung entgegengenommen werden - ohne überfreundlich oder scheinfreundlich zu sein.

Gute Stimmung spürt man schon am Telefon

Ich bin o.k., du bist o.k.: Die deutsche Managementtrainerin Andrea Lienhart

Ob Mitarbeiter in ihrer Firma Wertschätzung erfahren oder nicht, spüre man sofort, sei es am Empfang, am Telefon oder in Mitarbeitergesprächen, weiß Andrea Lienhart. "Das spricht sich auch schnell herum, ist also für das Image des Unternehmens nicht zu unterschätzen." Außerdem würden sich Mitarbeiter, denen man mit Respekt begegnet, stärker im Job engagieren und sich mit dem Unternehmen identifizieren. Sie seien auch seltener krank und kündigen seltener. Kunden, die sich gut behandelt fühlen, kommen gerne wieder - was sich wiederum positiv auf die Geschäftszahlen auswirkt.

Was will sie den Chefs ins Stammbuch schreiben? Andrea Lienhart: "Statt sich auf Schwächen und Defizite der Mitarbeiter zu konzentrieren, sollten besser die Stärken noch gestärkt werden. Wenn ich als Coach in ein Team komme, frage ich zum Einstieg auch nicht, was alles schiefläuft, sondern was funktioniert."

Respekt bedeutet Feedback: Lob und Tadel

Mit Feedback in Form von Lob und Kritik sollte nicht gespart werden. Sich an das schöne Sprichwort "Nicht geschimpft ist gelobt genug" zu halten, sei nicht zielführend, denn die Mitarbeiter wollen wahrgenommen und geachtet werden.

Wer Respekt von seinen Mitarbeitern erfahren möchte, tut gut daran, sich über seine eigenen Haltungen und Überzeugungen im Klaren zu sein, denn Integrität und Respekt sind unmittelbar miteinander verknüpft. Wer sich beispielsweise von der Sekretärin regelmäßig mit den Worten "Herr Müller ist in einer Besprechung" verleugnen lässt, sollte sich darüber im Klaren sein, dass er Vorbildfunktion hat und dass letztlich jede kleine Unwahrheit die Integrität beeinträchtigt.

Last, but not least: "So banal es klingt: Im Umgang mit Mitarbeitern und Kunden ist Anstand und gutes Benehmen gefragt", betont Lienhart. "Der Managementberater Fredmund Malik nennt sie den ,Schmierstoff, der respektvolles Zusammenarbeiten erst möglich macht."