Zehn Jahre länger arbeiten? | Früher Ruhestand: Studien fehlen. | SanktLambrecht. Oft ist bei einer Veranstaltung das wichtiger, was nicht gesagt wird. "Die Rente ist sicher" (Copyright der langjährige deutsche Sozialminister Norbert Blüm) ist so ein Satz; und vermisst wurde er bei der "Denkwerkstatt" in Sankt Lambrecht, die ganz der Zukunft der Altersversorgung gewidmet war. Statt dessen hörte man in dem steirischen Kloster vor allem besorgte Hinweise der versammelten Experten.
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So etwa von Josef Bauernberger (Sozialministerium): "Die Pensionsreform 2004 ist auf halbem Weg stehengeblieben." Besonders dringend erscheint ihm eine Vereinfachung, vor allem eine Abschaffung der komplizierten Parallelrechnung für alle 2005 Unter-50-Jährigen. Man sollte, so Bauernberger, für alle die Sockelpension festhalten und darauf die weiteren Ansprüche aufbauen.
Ebenso heftige Schmerzen machte ihm bei dem Brainstorming die "extrem geringe Beteiligung der Über-50-Jährigen am Erwerbsleben". Er führt das auf einen Mangel an altersadäquaten Arbeitsplätzen zurück.
Die beiden Universitätsprofessoren Wolfgang Mazal und Rainer Münz sehen hingegen eine Hauptursache in den Kollektivverträgen: Diese sehen Gehaltssteigerungen für das bloße Älterwerden oder die Betriebszugehörigkeit vor.
Münz bezeichnete sogar alle, die vor 65 in Pension gehen, als "Sozialschmarotzer". Er wies zur Begründung darauf hin, dass die meisten Invaliditätspensionisten (deren Zahl in letzter Zeit gestiegen ist) davor in der Arbeitslosigkeit gewesen seien. Was ihm freilich die Kritik aus dem Publikum einbrachte, dass Invaliditätspensionisten auch viele Jahre früher sterben.
"Zehn Jahre länger"
Ob das bei den vielen neuen Invaliden zutrifft, konnte nicht geklärt werden. Denn, so eine weitere brisante Erkenntnis der Denkwerkstatt: Es gibt überhaupt keine seriösen Studien, warum so viele vor dem 65. Geburtstag in Pension gehen.
Aus Sicht der Bevölkerungswissenschaft, so zumindest Münz, ist aber eine ebenfalls brisante Aussage klar: "Wir haben gar kein Pensionsproblem. Wir müssen nur um zehn Jahre länger arbeiten." Paul Jankowitsch, Vizerektor der Technischen Universität, macht sich aber wenig Hoffnungen: "Die Probleme werden von der Politik schöngeredet. Daher passiert das längere Arbeiten einfach nicht."
Das ASVG-System wurde aber auch wegen der ständigen Entwertung der höheren Pensionen getadelt: Während die Mindestpension (Ausgleichszulage) seit 2000 um 23,7 Prozent stieg, wurden die (zu einem viel höheren Anteil durch Beiträge gedeckten) höheren Pensionen nur um 8,7 Prozent erhöht: Das ist nur rund die Hälfte der gleichzeitigen Geldentwertung.
Wie bestellt, wurde parallel zum Seminar eine "market"-Umfrage über die größten Sorgen der Österreicher veröffentlicht. Bei den Antworten lag die "Sicherheit der staatlichen Pensionen" mit 69 Prozent weit voran (das Gesundheitssystem besorgt 62 Prozent, die Migration 49 Prozent).
Aber nicht nur bei der staatlichen Pension sind Unsicherheit und Unübersichtlichkeit problematisch. Dies gilt auch für die privaten Pensionskassen. Günther Schiendl, einer der Vorstände der VBV-Pensionskasse (welche die Denkwerkstatt mitveranstaltet hat), räumte ein, dass "das System mit dem hohen Rechnungszins (das sind die im Vertrag versprochenen Zinsen) und den Marktschwankungen nicht zurechtkommt". Auch die Versuche einer Zinsen-Garantie hätten sich als zu teuer und zu wenig leistungsfähig erwiesen. Noch genereller die Kritik des Arbeiterkammer-Experten Otto Farny: Die diversen Systeme der Altersvorsorge in Österreich seien "zersplittert, unlogisch und undurchschaubar". Er empfiehlt eine generelle Neuordnung im Zuge der Steuerreform: Individuelle Vorsorge solle nur noch durch Prämien gefördert werden; Beiträge zu Kollektivversicherungen sollen die Dienstgeber absetzen können, während die Rente steuerpflichtig sei.
Einen anderen Vorschlag in Hinblick auf ein Vorsorge-Instrument sprach der Sozialrechtler Mazal an: die Umwandlung der Mitarbeitervorsorge (Abfertigung neu) in eine Pflegeversicherung.