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Auf heikler Mission im Südkaukasus

Von Ronald Schönhuber

Politik

In Georgien fürchtet man wegen des EU-Assoziierungsabkommens Störfeuer aus Russland. EU-Kommissionschef Barroso versucht zu kalmieren.


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Tiflis. Wenn es um Fußball ginge, dann wäre wohl der Begriff "Heimspiel" angebracht. Denn auch wenn nicht gerade EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso zu Besuch in der georgischen Hauptstadt ist, wehen auf den Ministerien in Tiflis wie selbstverständlich die blauen Sternenbanner der Europäischen Union neben den weiß-roten Landesflaggen. Die proeuropäische Begeisterung der Regierung, die sich gemeinsam mit der Opposition für einen EU-Beitritt starkmacht, deckt sich dabei mit der Stimmung in der Bevölkerung. Fast 80 Prozent der Georgier befürworten die Westintegration ihres Landes.

Doch für Barroso ist der zweitägige Besuch in der kleinen Südkaukasus-Republik, auf den am Samstag noch ein Kurz-Abstecher ins benachbarte Aserbaidschan folgt, nicht nur ein Heimspiel, sondern auch eine heikle Mission. Denn knapp zwei Wochen vor der Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und Georgien am 27. Juni muss der Portugiese den Georgiern den Rücken stärken, ohne zusätzlich Öl ins Feuer der angespannten Beziehungen mit Russland zu gießen.

Wie wenig geneigt Moskau ist, ehemalige Sowjetrepubliken aus seiner Einflusssphäre zu entlassen, hat bereits die Ukraine schmerzlich erfahren müssen, als sie vor knapp sieben Monaten ebenfalls ein Assoziierungsabkommen mit der EU unterzeichnen wollte. Und in Georgien fühlt man sich ähnlich verwundbar. Auch sechs Jahren nach dem fünftägigen Krieg mit Russland stehen immer noch Truppen der russischen Schutzmacht in den von Georgien abtrünnigen Regionen Südossetien und Abchasien. Und erst vor knapp drei Wochen drohte Alexander Lukaschewitsch, der Sprecher des russischen Außenministeriums, Tiflis mit "Konsequenzen" für den Fall, dass der auch ein Freihandelsabkommen umfassende EU-Assoziierungsvertrag unterzeichnet wird.

Selbst wenn Moskau in den abtrünnigen Regionen auf weitere Destabilisierungsversuche - wie etwa die in der Vergangenheit praktizierte Verlegung von Grenzzäunen - verzichtet und nur zu wirtschaftlichen Sanktionen greift, würde das Georgien schwer treffen. Nach der Aufhebung des fünfjährigen Handelsembargos für Wein und Mineralwasser ist Russland vor kurzem wieder zum drittwichtigsten Handelspartner des 4,5-Millionen-Einwohner-Landes aufgestiegen.

"Ich hoffe, Putin hält Wort"

Entsprechend bemüht war Barroso nach seinem Treffen mit dem georgischen Präsidenten Giorgi Margwelaschwili auch, die Sorgen vor einer neuerlichen Eskalation mit dem großen Nachbarn im Norden zu zerstreuen. "Präsident Wladimir Putin hat mir versichert, dass Russland im Fall einer Unterzeichnung nichts vorhat, was negative Auswirkungen auf Georgien haben könnte", sagte Barroso. "Und ich hoffe, der russische Präsident steht zu seinem Wort". Der EU-Kommissionspräsident betonte zudem das Recht Georgiens, seinen eigenen Weg gehen zu können. "Georgien hat eine Entscheidung getroffen und wir sind hier, um diese Entscheidung zu unterstützen", sagte Barroso. Man sei gerne bereit, mit Russland über eventuell unklare Punkte des Assoziierungsabkommens zu diskutieren.

In Tiflis, wo sich die Regierung zuletzt intensiv darum bemüht hatte, trotz des Westkurses die Beziehungen zu Moskau zu verbessern, werden solch unterstützende Worte dankbar angenommen. "Die konstante Aufmerksamkeit der europäischen Partner ist sehr wichtig für uns", sagt der georgische Vizeaußenminister David Zalkaliani, der mit der Westintegration auch eine Hoffnung verbindet, die derzeit noch weit weg erscheint. "Wenn die Menschen in Südossetien und Abchasien sehen, dass Georgien ein demokratischer und wirtschaftlich florierender Staat ist, werden sie das mit anderen Ländern vergleichen. Und dann werden sie eine Entscheidung treffen."