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Jeder Haushalt, in dem ein notorischer Bücherwurm lebt, kennt das Problem. Im Laufe der Jahre stapeln sich die Bände, quellen aus den Regalen, liegen überall in der Wohnung herum, doch auf keinen Fall darf eines der kostbaren Druckwerke, und sei es auch der trivialste Roman oder ein Sachbuch, das vielleicht in der Nachkriegszeit Neuigkeitswert hatte, entfernt werden. Solches ist allenfalls in Einzelfällen nach langen Verhandlungen mit dem Bücherhorter und einigen Krokodilstränen seinerseits ob des großen Verlustes denkbar. Nur in äußerster Bedrängnis werden Bücher - nein, nicht weggegeben - in Räume außerhalb des Domizils ausgelagert, als "Zwischenlösung", denn, so die Hoffnung, irgendwann wird irgendwo genug Bibliotheksraum für alle Bücher vorhanden sein.
Was bei Bibliophilen wie eine Manie wirkt, dazu ist die Österreichische Nationalbibliothek (ÖNB) verpflichtet: Sie muss die in Österreich gedruckten Werke sammeln, sie hat die Aufgabe, Gedächtnis des Landes zu sein. Aber auch sie muss ständig um Speicherraum kämpfen. Wenn ÖNB-Chefin Johanna Rachinger nun plant, nach einer Mediengesetznovelle nur noch E-Books von Neuerscheinungen zu speichern, stößt sie auf verständlichen Protest. Die ÖNB braucht die Mittel und Kapazitäten, um alle Bücher des Landes, auch die "haptisch" weniger wertvollen, sowohl in digitalisierter als auch in herkömmlicher Form (solange es gedruckte Exemplare gibt) aufzubewahren. Die Platzprobleme gehören gelöst, um zu verhindern, dass man dem Kulturgut Buch in der ÖNB nur noch via Bildschirm begegnen kann.