Bei einer Schau in Texas konnte ein Massaker wie bei "Charlie Hebdo" knapp verhindert werden.
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Dallas. Pamela Geller hatte das Curtis Culwell Center in Garland sehr bewusst gewählt. Knapp eine Woche, nachdem radikale Islamisten zwölf Menschen getötet hatten, um Rache für die Mohammed-Karikaturen des französischen Satiremagazins "Charlie Hebdo" zu üben, trafen sich genau hier führende Vertreter der amerikanischen Muslime, um über mögliche Gegenstrategien zur sich ausbreitenden Islamfeindlichkeit zu beraten.
Auch Geller ging es in Garland um Gegenstrategien. Bei der Kunstausstellung, die die von ihr gegründete American Freedom Defense Inititative (AFDI) organisiert hatte, sollte die beste Karikatur des Propheten Mohammed mit 10.000 Dollar prämiert werden. Als Hauptredner wurde der bekannte niederländische Islamkritiker und Rechtspopulist Geert Wilders engagiert. In Garland, einem kleinen Vorort der US-Metropole Dallas, sollte das Recht auf Meinungsfreiheit an diesem Sonntagabend trotzig verteidigt werden.
Geendet hat die Veranstaltung allerdings nicht mit kämpferischen Worten, sondern mit Blut und Blaulicht. Unmittelbar, nachdem Wilders die Veranstaltung verlassen hatte, eröffneten zwei bewaffnete Männer das Feuer auf einen Wachmann, der auf einem Parkplatz vor dem Curtis Culwell Center postiert war. Beim anschließenden Schusswechsel mit der Polizei, die angesichts der Brisanz der Veranstaltung auch schwer bewaffnete Sonderkommandos im Einsatz hatte, wurden die beiden Angreifer getötet. Über die Identität und das Motiv der Männer, deren Vorgangsweise an einen Angriff auf eine ähnliche Veranstaltung in Kopenhagen vor drei Monaten erinnert, wurde zunächst aber nur wenig bekannt. Laut ABC News stammte einer der beiden Täter aus Arizona und stand wegen möglicher Terroraktivitäten bereits unter Beobachtungen des FBI. Zudem gab es einige Indizien für eine Verbindung zum Islamischen Staat (IS). "Zwei unserer Brüder haben soeben das Feuer auf die Prophet-Mohammed-Ausstellung in Texas eröffnet", schrieb ein britischer IS-Kämpfer kurz nach Beginn des Schusswechsels auf Twitter.
Eine globale Bedrohung
Spannungen hatte es bereits im Vorfeld der Veranstaltung gegeben. Gegner des Mohammed-Karikaturenwettbewerbs hatten die Ausstellung laut "Dallas Morning News" als Angriff auf den Islam bezeichnet und darauf verwiesen, dass die bildliche Darstellung des Propheten für viele Muslime als Gotteslästerung gilt. Ebenso vehement hatten Geller und die AFDI Position bezogen. Die Muslime in Amerika seien zu einer "speziellen Klasse" geworden, die nicht kritisiert werden dürfte.
Die 57-jährige Geller befindet sich bereits seit Jahren auf Konfrontationskurs mit dem Islam. Die Mutter von vier Kindern hat es dabei von der obskuren Bloggerin, die ihre ersten Postings frühmorgens in Fellpantoffeln absetzt, zur etablierten Medienfigur mit nationaler Reichweite gebracht. Bekannt wurde die Witwe eines sehr wohlhabenden Autoverkäufers vor allem durch ihren Kampf gegen das "Projekt P51", das ein islamisches Kulturzentrum samt Moschee in unmittelbare Nähe des Ground Zero in New York vorsah. Geller war es aber von Anfang um mehr gegangen, als ein muslimisches Gebetshaus auf den Überresten von 9/11 zu verhindern. Die "New York Times" beschreibt Gellers breitflächigen Kampf gegen den Islam als Kreuzzug ohne Kompromisse, der auf einem Islamverständnis beruht, das dem Blick auf den Kommunismus zur Zeit des Kalten Krieges ähnelt: eine dunkle globale Bedrohung, die es um jeden Preis zu stoppen gilt.
Um ihr Ziel zu erreichen, betreibt Geller Webseiten, sie schreibt Bücher und organisiert Demonstrationen und Veranstaltungen. Von Menschrechtsorganistionen wie dem Southern Poverty Law Center, das rechtsradikale Gruppen in den USA beobachtet, wird Gellers AFDI aufgrund der scharfen antiislamischen Rhetorik als "Hassgruppe" bezeichnet. Doch mit Wortschöpfungen wie "totalitärer Khomeinismus" ist es ihr auch gelungen, eine Islam-Sicht in Richtung politischer Mainstream zu transportieren, die zuvor nur an den Rändern existiert hat: Nämlich dass von Muslimen verübter Terror nicht auf einem pervertierten Koranverständnis beruht, sondern in der Religion selbst begründet liegt.
Die Attacke von Garland dürfte da jedenfalls Wasser auf Gellers argumentative Mühlen sein. "Was sollen wir tun?", hieß es am Montagnachmittag auf der Facebook-Seite der AFDI. "Sollen wir uns diesen Monstern ergeben?"