Beste Lage, kaum Miete. Die Strandbar Herrmann genoss jahrelang ominös gute Pachtkonditionen.
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Wien. Der Donaukanal ist zum Bersten voll. Wie aufgefädelt sitzen die Menschen entlang der Uferkante. Tausende Beine baumeln über der Kaimauer. Vor den Bars haben sich Trauben gebildet. Körper an Körper stehen die Gäste auf der Uferpromenade. Touristen wippen zu den Rhythmen elektronischer Musik. Einheimische lassen den lauen Sommerabend bei einem Feierabendbier ausklingen.
Das zentralste Wiener Donauwasser hat sich in den vergangenen zehn Jahren vom schnöden Versorgungskanal zur Partymeile entwickelt. Vor allem entlang des 1. Bezirks - zwischen Augarten- und Franzensbrücke - reiht sich ein Gastronomiebetrieb an den nächsten.
Gleich hinter der Urania, wo der Wienfluss in den Donaukanal mündet, nahm diese Entwicklung ihren Lauf. Die beiden Unternehmer Rudolf Konar und Alexander Kaiser hatten im Jahr 2003 die Idee, auf der Fläche des Herrmannparks am rechten Kanalufer eine Strandbar nach Berliner Vorbild zu eröffnen. Etwa zur selben Zeit erkannte auch die Stadt das Potenzial des Gewässers. Man beschloss, den Kanal zu beleben. Er wurde zum Zielgebiet der Stadtentwicklung. Ein neu installierter Donaukanal-Koordinator sollte aktiv nach Pächtern suchen. Der Startschuss zur Kommerzialisierung war gefallen.
So verpachtete die Stadt, vertreten durch die MA 42 (Stadtgärten), den einst öffentlichen Park im Jahr 2005 schließlich an Konar und Kaiser. Die Strandbar Herrmann war somit - abgesehen vom zehn Jahre älteren Musikclub Flex - der erste Gastronomiebetrieb am Donaukanal in unmittelbarer Nähe zum 1. Bezirk. Auffällig am damaligen Vertrag zwischen der Stadt und den Betreibern ist jedoch der frappierend niedrige Pachtzins. Wie ein Bericht des Bundesrechnungshofs im Frühjahr 2016 offenlegte, betrug dieser für das gesamte 3500 Quadratmeter große Areal nur 2400 Euro im Jahr. Das sind 0,68 Euro pro Quadratmeter und Jahr. "Dies war der niedrigste flächenbezogene Zins der im Rahmen der Gebarungsprüfung vorliegenden Verträge aus dem Gastronomie- und Freizeitbereich", heißt es im Bericht. Erst 2013 wurde der Bestandszins schließlich auf 20.013 Euro pro Jahr (rund 5,67 Euro pro Quadratmeter) verneunfacht - laut Rechnungshof immer noch zu niedrig.
308.000 Euro an öffentlichen Geldern für Infrastruktur
Neben der geringen Pacht kam die Stadt den Betreibern auch bezüglich der Infrastruktur entgegen. Die Magistratsabteilung Wien Kanal wendete 308.000 Euro an öffentlichen Geldern für den Bau von Wasser- und Abwasserkanalleitungen auf. Resümierend kritisierte der Rechnungshof, dass die Stadt nicht zugunsten der Allgemeinheit handelte, sondern "nachteilig für die öffentliche Hand".
Die Stadtverwaltung sieht dies anders. In einer Stellungnahme auf den Bericht verteidigt sie die geringen Pachtkosten mit dem großen öffentlichen Interesse an der Strandbar. Sie belebe den Donaukanal und sei wichtig für das Stadtbild. Die "Einschätzung der Nachteiligkeit" würde man nicht teilen. Trotz mehrmaliger Anfrage im Büro der zuständigen Stadträtin Ulli Sima (SPÖ), äußerte sie sich nicht weiter.
Auch Rudolf Konar kritisiert den Bericht des Rechnungshofes. "Der Rechnungshof vergleicht uns mit herkömmlichen Lokalen. Eine Strandbar ist aber nicht mit einem Restaurant vergleichbar. Wir bespielen nicht die gesamte Fläche, in den Wintermonaten haben wir geschlossen", sagt er zur "Wiener Zeitung". "Außerdem finde ich, dass uns die Stadt den Grund in den ersten Jahren auch kostenlos zur Verfügung hätte stellen können. Schließlich haben wir die Gegend durch die Strandbar Herrmann massiv aufgewertet. Davor war das eine Gstättn."
Eine Einschätzung die Gabu Heindl nicht teilt. Die Architektin konzipierte im Auftrag der Stadt die Donaukanal Partitur - keine Notenschrift, sondern Gestaltungsleitlinien, die unter anderem für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen konsumfreien Zonen und Lokalen sorgen sollen. "Für mich handelt es sich bei der Strandbar Herrmann ganz klar um die Privatisierung von öffentlichem Raum zugunsten unternehmerischer Gewinninteressen und nicht zugunsten des Stadtbildes", sagt sie. "Jeder Wirt muss im Winter seinen Schanigarten wegräumen. Hier ist das nicht so. Ganz im Gegenteil. Während der Betriebspause im Winter war die Fläche durchgängig eingezäunt, nicht betretbar und auch kein schöner Anblick."
Public-Viewing hinter verhängtem Zaun
Auch während der vergangenen Fußball Europameisterschaft war das Areal der Strandbar hermetisch von einem Zaun umschlossen - die Drahtstreben sorgfältig mit riesigen ORF-Bannern zugehängt. Zaungäste hatten keine Chance, einen Blick auf die riesige Leinwand zu werfen. Nur am Torjubel der rund 2000 Gäste konnte der Spielstand vermutet werden. An den Eingängen kontrollierten die Männer eines privaten Security-Dienstes die Taschen des Publikums. Die Public-Viewing-Zone erinnerte eher an ein riesiges Werbe-Event, als an eine Veranstaltung im Interesse der Öffentlichkeit. Aus der ehemaligen Parkanlage war eine Party-Location geworden, an der sich Privatpersonen bereichern.
Der Trend zur Kommerzialisierung des Kanals ist augenscheinlich. Schlängelte er sich vor rund zehn Jahren noch weitgehend unbeachtet durch die Stadt, steht er heute in jedem Reiseführer. Seine Belebung ist zweifellos gelungen. Doch droht die Balance zwischen urbanem Freiraum und Ausgehmeile zu kippen? Für Heindl ist die Verträglichkeitsgrenze der Anzahl an Bars erreicht. "Es braucht genügend konsumfreie Zonen, sonst funktioniert der Kanal als Naherholungsgebiet nicht mehr." Der Bau eines zweigeschoßigen Gastronomiebetriebs auf der Donaukanalwiese konnte vor kurzem nur durch das massive Engagement einer Bürgerinitiative verhindert werden. Dass er überhaupt geplant war, ist für Heindl ein Skandal. "Das Projekt hätte den Gestaltungsrichtlinien des Kanals grundlegend widersprochen. Dass es trotzdem zur Debatte stand, zeigt, wie schnell sich in der Wiener Kommunalpolitik die Interessen Einzelner durchsetzen können."
Die Interessen Einzelner standen am Donaukanal schon einmal vor jenen der Allgemeinheit. Im Jahr 2004 mietete ein Mitarbeiter der Abteilung Wasserstraßen im BMVIT das Badeschiff um 483 Euro pro Jahr an. Die Privatperson vermietete das Areal wiederum um ein Vielfaches - nämlich 2019 Euro pro Monat - an das Unternehmen weiter, das dort das Badeschiff betrieb und füllte so seine eigenen Taschen.
Die günstigen Konditionen des Pachtvertrags der ersten großen Bar am Donaukanal sind also kein Einzelfall. Sie standen am Beginn einer Entwicklung hin zu Menschenmasse, Cocktailbars und synthetischen Stränden. Und sie stehen symptomatisch für den Umgang der Stadtverwaltung mit dem Grund und Boden der Öffentlichkeit.