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Auf lange Sicht gut, auf kurze Sicht zu wenig

Von Hermann Sileitsch

Analysen

Hoffentlich haben Merkel und Sarkozy für den EU-Gipfel noch mehr im Köcher.


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Der Euro ist noch lange nicht gerettet. Die EU-Führungsriege sollte sich vor dem Gipfel am Donnerstag und Freitag nicht in falscher Sicherheit wiegen.

Die anfänglich positiven Reaktionen auf den Finanzmärkten machen zwar etwas Hoffnung.  Zwischen dem, was Merkel und Sarkozy am Montagabend in Paris vorgelegt haben und dem, was die Märkte sich erwarten, liegen aber immer noch Welten.

Kurz gefasst: Merkel und Sarkozy denken bei ihren Lösungsansätzen in Jahren, die Investoren aber maximal in Wochen, wenn nicht sogar Tagen. Berlin und Paris wollen vor allen Dingen sicherstellen, dass sich die Euroländer künftig an die Regeln halten. Fast alle am Montag angekündigten Maßnahmen zielen auf die eine oder andere Weise auf mehr Haushaltsdisziplin ab: Automatische Sanktionen, Geldstrafen, gesetzliche Schuldenbremsen in allen Ländern, stärkere Durchgriffsrechte der EU-Behörden, womöglich sogar Anrufung des Europäischen Gerichtshofs.

Das ist schön, das Ur-Manko der Eurozone, die fehlende wirtschaftliche Abstimmung, löst es aber nur zum Teil. Die EU sollte nicht zu einem supranationalen Mega-Finanzamt mutieren und sich nur auf den Budgetvollzug beschränken. Ebenso wichtig wäre es, die dauerhaften wirtschaftlichen Ungleichgewichte in Sachen Wettbewerbsfähigkeit, Handelsbilanz, Steuerregime in Angriff zu nehmen.

Und selbst dann wäre es wohl nicht genug. Das alles ist wunderbar, um eine mögliche Schuldenkrise 2030 zu verhindern. Es löst aber die aktuellen Probleme nicht.

Die Investoren würden nämlich gerne wissen, ob es jetzt sicher ist, in italienische Schuldenpapiere zu investieren. Vorher werden sie nicht bereit sein, neue Staatsanleihen zu kaufen – und genau das wäre notwendig, um die Krisenspirale zu stoppen. Deshalb haben zur positiven Reaktion der Finanzmärkte am Montag die Gerüchte über eine stärkere Beteiligung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Zentralbanken Fed und EZB an der Euro-Rettung vermutlich mehr beigetragen als der staatstragende Auftritt von Merkel und Sarkozy in Paris. Auch das entschlossene Sparpaket von Mario Monti in Italien dürfte für gute Laune gesorgt haben. Sogar das vermeintlich nebensächliche Detail, dass der aufgerüstete Euro-Stabilitätsmechanismus (ESM) den Rettungsschirm EFSF schon früher, nämlich Ende 2012, ersetzen soll, gilt ebenfalls als gute Nachricht: Weil der ESM über eine fix einbezahlte Bareinlage verfügt, ist er nicht mehr so sehr von der Bonität einzelner Länder abhängig und gilt als stabiler.

Etliche wichtige Fragen sind aber weiterhin unbeantwortet: Wer springt für Italien ein, wenn der Markt keine Kredite mehr hergibt?
Woher kriegt der IWF die nötigen Mittel, um notfalls Italien oder Spanien zur Hilfe zu eilen?
Erhält die Eurozone einen Kreditgeber der letzten Hand mit unbegrenzter Kapazität – so wie die Notenbank Federal Reserve in den USA?
Strebt die Eurozone – zumindest als mittel- oder langfristige Perspektive – die Vergemeinschaftung der Schulden (Stichwort Eurobonds) an?

Am Donnerstag und Freitag müssen nicht alle Lösungen sofort umgesetzt sein, um die Krise einzufangen. Es würde reichen, den Investoren eine Lösung zu präsentieren, welche überzeugend genug ist. Die Anleger müssen daran glauben, dass europäische Staatsanleihen Kursgewinne bringen werden und somit ein gutes Geschäft sind. Damit ließe sich der Käuferstreik und die Verkaufswelle der letzten Wochen und Monate umkehren und die Lage für Italien, Spanien und Co. würde sich entspannen. Ohne Antworten auf die genannten Fragen wird das allerdings schwierig.