Pfarrer Martin Rupprecht predigte am Freitag in der Moschee von Bad Vöslau.
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Bad Vöslau. Martin Rupprecht, den katholischen "Hoca"? "Ja, den kenne ich, alles supergut, nix Problem", sagt Ali lächelnd und nippt an seinem Tee, den ihm zuvor ein Moschee-Diener serviert hat. Dabei ist Ali nicht der einzige Gläubige, der in der muslimischen Gemeinde von Bad Vöslau große Stücke auf den Priester aus der Wiener Pfarre Schönbrunn-Vorpark hält. Denn schon einmal, im Juni 2011, hatte Rupprecht in der lokalen Moschee die Predigt zum Freitagsgebet gehalten und über "Allahu akbar", die Größe Gottes im Vergleich von Christen und Muslimen gesprochen. Die Aktion kam gut an, weswegen sie an diesem Freitag wiederholt wird.
Eine Stunde vor Beginn des Gebets herrscht im Vorhof zur Moschee noch Seelenruhe. Während Ali mit seinen Freunden die Sonne genießt, sitzt Cem in der Kantine und hantiert an seiner Fotokamera. Dass sich neben der Kirche neuerdings auch die Zeitung für die Muslime von Bad Vöslau interessiert, findet der Sprecher der örtlichen Trägervereins "Atib" grundsätzlich gut. Leider sei das nicht immer so gewesen. "Bevor die Moschee errichtet wurde, hat sich niemand für uns interessiert", sagt er mit leiser Stimme, rührt in seinem Tee und legt den Löffel zur Seite. Dass sich das seit 2009 sehr zum Positiven geändert habe, habe die Gemeinde ihrem Imam Hizir Uzuner zu verdanken. Er war es, der mit seinem Freund Rupprecht die Idee des "Kanzeltausches" geboren und in die Tat umgesetzt hat. Die Idee: Einmal im Jahr überlassen die zwei Geistlichen einander den Predigtstuhl - das eine Mal spricht der Imam in der Kirche in Schönbrunn, das andere Mal der Pfarrer in der Moschee in Bad Vöslau.
Uzuner hat seinen Auftritt in Wien bereits hinter sich gebracht. Es sei sehr gut gelaufen, berichtet er beim Mittagessen in der Kantine in gebrochenem Deutsch. Cem blickt auf seine Uhr. "Martin wird gleich hier sein", sagt er.
Pfarrer zitiert aus Koransure
Draußen im Hof treffen indessen immer mehr Gläubige ein. Unter den Wartenden ist auch ein Österreicher, der 19-jährige Matthäus. Ob er auch wegen Rupprecht zur Moschee gekommen ist? "Ich bin zum Haarschneiden da", antwortet er. Dass es in dem Gotteshaus sogar einen eigenen Barbier gibt, dürften außer den Muslimen im Ort nicht viele wissen. "Es ist billig und er macht seine Arbeit sehr gut", sagt Matthäus. Allein in den Gebetsraum sei er noch nicht gegangen. Begründung: "Ich bin aus der Kirche ausgetreten."
Noch während sich der Barbier an die dunklen Haare des 19-Jährigen macht, trifft Rupprecht in der Kantine ein, wo er von Imam Uzuner und Cem herzlich begrüßt und in der Folge reichlich bewirtet wird. Seine Bitte, der Koch möge ja nicht zu viel auftragen, wird freundlich ignoriert. Aber Rupprecht weiß sich zu helfen - und antwortet in perfektem Türkisch: "Ich muss heute noch predigen." Als Islam-Beauftragter der Erzdiözese sei er den Umgang mit den österreichischen Muslimen schon lange gewöhnt, erklärt der Pfarrer nach dem Essen. Daher auch sein Credo: "Es ist erst die persönliche Begegnung, die uns alle zur Veränderung führt." Und: "Was es dafür braucht, sind viele Menschen guten Willens."
Und die scheint Rupprecht tatsächlich ausgerechnet in der Moschee von Bad Vöslau nun gefunden zu haben. Als er kurz darauf auf der Kanzel, der "Kursu", Platz nimmt, sind etwa hundert Augenpaare auf den Mann mit dem Collar gerichtet. Rupprecht begrüßt die Anwesenden, die auf dem roten Teppich lagern, zunächst auf Türkisch, um dann den Gläubigen einzubläuen, dass Gott bis heute lebendig ist und wirkt. "Wir müssen aber Geduld haben", meint er und zitiert dazu sogar eine passende Sure aus dem Koran: "Gott liebt die Geduld."
Wie wichtig Geduld auch im interreligiösen Dialog ist, wissen er und Uzuner am besten aus eigener Erfahrung. Um die Beziehung zwischen den Religionen weiter wachsen zu lassen, haben sich die beiden bereits auf eine Neuauflage des "Kanzeltausches" im kommenden Jahr verständigt.
Website Pfarre Schönbrunn-Vorpark